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Auch im hohen Alter in der Heimat nicht geliebt, aber das nicht mehr mit so viel Inbrunst: Johannes "Johan" Heesters erregt in den Niederlanden die Gemüter nicht mehr so wie früher.

© dpa

Heesters und Holland: Carrell des Dritten Reichs erregt nicht mehr

Kurz vor dem Deutschlandbesuch von Königin Beatrix gab es in den Niederlanden eine neue Affäre um Johannes Heesters - oder auch nicht, denn die Holländer mögen sich nicht mehr über ihn aufregen. Das ist ein Grund, sich zu freuen, findet unser Gastkommentator Wierd Duk.

In den Niederländen wurde kaum reagiert, als bekannt wurde, dass Johan Heesters (107) doch nicht die Hand von Königin Beatrix schütteln wird - bei deren Staatsbesuch in Deutschland, der am 12. April in Berlin beginnt. Heesters hatte sich auf seiner Homepage sehr über eine angebliche Einladung des Bundespäsidialamtes zu einem Empfang mit Beatrix gefreut. Aber er wurde, mit seiner Ehefrau Simone, wieder ausgeladen.

Undeutlich ist, was genau der Grund für die Ausladung ist. Aber Königin Beatrix ist bekannt dafür dass Sie ein ‘Kontrollfreak’ ist und gerne Risiken aus dem Weg geht. Eine mögliche Kontroverse um Heesters, der in Holland wegen seiner Nazi-Sympathien während des Dritten Reiches noch immer einen umstrittenen Ruf hat, möchte das niederländische Königshaus wohl vermeiden. Für das Ehepaar Heesters ist die Ausladung eine persönliche Tragödie. Sie ist aber nicht mehr als das.

In den Niederländen gab es kaum Stimmen zum ‘Drama Heesters’. Noch vor einigen Jahren wäre dies undenkbar gewesen. Alles, was mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat – und Heesters Biographie ist ja zutiefst mit Nazismus und Krieg verbunden – war für die Nachkriegsgeneration in den Niederlanden, diese selbstverliebte linke Protestgeneration der 68er, Anlass, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie ‘gut’ Sie war, im Vergleich zur Generation ihrer Eltern. Johan Heesters war für diese selbsternannte Anti-Faschisten ein dankbares Ziel. Als Heesters 1964 im "Theater Carre" in Amsterdam im Musical The Sound of Music auftrat, wurde er beschimpft: ‘Heesters SS, Heesters SS!’

Das Publikum blieb weg. Dass Johan Heesters sich nach dem Krieg von Hitler und vom Nazismus distanzierte, war für die Protestanten im "Carre" unwichtig. Wichtig war nur die Symbolwirkung: ‘Schau, wie gut wir sind.' Im Jahr 2008, als Heesters nach Amersfoort eingeladen war um dort im "Theater De Flint" zu singen. war die Kritik schon viel leiser. Von breit getragener Empörung war nicht mehr die Rede. Nur der Bürgermeister verließ vor dem Konzert den Saal.

Jetzt, wo Heesters zum Händchenschütteln mit der niederländischen Fürstin zuerst eingeladen und dann wieder ausgeladen wurde, ist es den Holländern ziemlich egal, was da mit dem alten Meister passiert. Ja, der Heesters hat sich unter Hitler recht feige benommen, und dass dieser Rudi Carrell des Dritten Reiches 1941 das Konzentrationslager Dachau besuchte, auf Einladung der SS, das ist alles schlimm und hässlich. Diese Tatsachen sind aber kein Grund mehr sich noch länger über diesen Mann und seinen Lebenslauf aufzuregen. Dafür spielen der Krieg und seine Protagonisten im heutigen niederländischen kollektiven Bewusstsein eine zu geringe Rolle. Denn schon längst wird Deutschland in den Niederlanden nicht mehr wahrgenommen als das Land von Hitler und der Holocaust.

Deutschland ist für die jüngste Generationen Holländer das beliebteste Urlaubsziel, die Deutschen werden wegen Ihren Höflichkeit und ihrer angeblichen Ordnungsliebe als ‘die besseren Holländer’ angesehen. Sogar die deutsche Fußballnationalmannschaft – viele Jahre lang das Hassobjekt (fast) der gesamten niederländische Nation  - hat mit ihren schönen Angriffsfußball viele holländische Herzen erobert.

Die Affäre Heesters, die also keine Affäre wurde, bestätigt letztendlich diese Normalisierung der deutsch-niederländischen Beziehungen, die sich in den letzten Jahrzehnten endgültig vollzogen hat. Die Geschichte ist, wie Jopie Heesters, nun doch Geschichte geworden. Das ist für die Deutschen, genau so wie für die Holländer, ein Grund sich zu freuen - am Vorabend des Besuchs der niederländischen Königin.

(Wierd Duk ist Redaktor der niederländischen Wochenzeitung "Elsevier". Von 2001 bis 2006 war Duk Korrespondent in Berlin.)

Wierd Duk

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