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Senator Heilmann nimmt einen der "Bellos" an die Leine. Aber führt sein Projekt auch zum Erfolg?

© dpa

Hund und Herrchen in Berlin: Bello-Dialog: Was bringen neue Regelungen ohne Kontrollen?

Der "Bello-Dialog" ist ein Vorzeigeprojekt des Senators Heilmann zur Bürgerbeteiligung. Herauskam: der "Hundeführerschein". Martin Goldbach schildert in seinem Gastkommentar, wie der Dialog aus der Sicht eines Beteiligten lief, der kein Hundehalter ist.

Es sind Erlebnisse wie diese, die mich zum Bello-Experten machten: Im letzten Sommer sitze ich mit meinen Kindern an einer Badestelle am Ufer der Krummen Lanke. Die Decke ist ausgebreitet, das Essen ausgepackt. Da kommt ein Hund über den Strand gerannt. Er läuft ins Wasser, tobt ein bisschen herum, schwimmt ein paar Züge. Das Schild “Liegewiese – Aufenthalt von Hunden nicht gestattet” hat er wohl übersehen. Ein Herrchen, dass ihn darauf hinweisen könnte, ist nicht in Sicht. Nach kurzem Bad ist der Hund hungrig und beginnt sich für unser Picknick zu interessieren. Er läuft auf die Decke, schnuppert am Nudelsalat, probiert eine Salzbrezel. Meine Tochter, die kürzlich von einem Hund umgerannt wurde und entsprechend ängstlich ist, hängt an meinem Hals. Ich selbst befinde mich noch in Schockstarre. Der Hund will sich gerade ein Brötchen schnappen, da kommt das Herrchen angejoggt. Als er die Situation erkennt, flackert Entsetzen in seinen Augen. “Um Gottes Willen!” ruft er von Weitem, “lassen Sie ihn bloß keine Wurst fressen! Die bekommt ihm nicht!”

Tja, als Nicht-Hundehalter kann man so viele Fehler machen im Umgang den Tieren. Welch glücklicher Zufall, dass kurz darauf im Schöneberger Rathaus ein Bürgerforum zum besseren Zusammenleben von Mensch und Hund stattfand. Dort ging ich hin, um was zu lernen. Ich traf auf einen Saal voller Hundefreunde, die berichteten, wie man sie und ihre Tiere diskriminiere. Leinenzwang, Rasseliste - alles eine einzige Schikane. Ich stand auf und fragte, ob auch für meine Kinder ein Auslaufgebiet angedacht sei. Denn in unserer Nachbarschaft ist Spielen ohne Hundekontakt nicht möglich. Im angrenzenden Park wird der Leinenzwang ignoriert, die große Spielwiese in der Siedlung ist voller Hundekot. Eine Antwort bekam ich nicht, aber ein Herr von der "Stiftung Zukunft Berlin" fragte mich, ob ich nicht am "Bello-Dialog" teilnehmen wollte.

Das wollte ich, und so durfte ich zum ersten Mal ins Rote Rathaus, Louise-Schroeder-Saal. Auch dort saßen überwiegend Hundehalter. Komisch, dachte ich: Würde man ein Nichtraucherschutzgesetz auch von einem Pfeifen-, einem Zigarren-, einem Zigaretten- und einem Nichtraucher erarbeiten lassen?

Senator Heilmann sah in der Zusammensetzung kein Problem. Mehrheiten spielten keine Rolle, am Ende zähle die Qualität der Argumente. Aber wer legt die fest? Nun, wir würden sehen.

Was mir auch nicht ganz klar war: Warum braucht es überhaupt neue Regeln rund um den Hund? Eigentlich gibt es doch schon ein Hundegesetz, Leinenzwang bzw. der Freilauf von Hunden sind ebenso wie die Pflicht zur Mitnahme vom Hundekot per Verordnung geregelt. In meinem Umfeld allerdings hält sich nur eine Minderheit der Hundebesitzer an diese Regeln. Da schiene es mir wichtiger, die Einhaltung der Regeln auch tatsächlich einmal zu kontrollieren, bevor neue Regeln geschaffen werden.

Auch hierzu hatte Senator Heilmann eine andere Position. Bei einem Besuch in der Bello-Runde erklärte er uns, dass "die Aufbringung von Finanzmitteln zur Durchsetzung von Regelungen des Hundegesetzes in Konkurrenz zur Bewältigung anderer öffentlicher Aufgaben" stehe. Er ermutigte uns aber, "kreative und intelligente Lösungen zu finden, die im Wettbewerb um knappe öffentliche Finanzen die Nase vorn haben." Die Auffassung, dass Regelungen, die nicht kontrolliert werden, nichts wert seien, teilte er nicht.

Ist es nicht so, dass gerade deshalb kein Geld da ist, weil nicht kontrolliert wird?

Kontrollen sind also gar nicht so wichtig und außerdem zu teuer? Stimmt, Geld ist immer irgendwie zu wenig da. Ich habe daraufhin mal ein bisschen zum Thema Hundesteuer recherchiert. Dazu liegt mir nun das Ergebnis einer Kontrollaktion der Senatsfinanzverwaltung aus dem Jahr 2010 vor, welches zeigte, dass rund 60 % der Berliner Hunde nicht steuerlich gemeldet sind. Das sind 165.000 Hunde. Bei 120 Euro Hundesteuer pro Hund entgehen Berlin somit rund 20 Mio. Euro. Mich beschlich der Verdacht, dass es auch hier sinnvoll sein könnte, dem Gesetzesvollzug - diesmal des Hundesteuergesetzes - etwas mehr Bedeutung einzuräumen. Die Argumentation "Man kann nicht kontrollieren, weil kein Geld da ist", leuchtete mir jedenfalls nicht ein. Ist es nicht so, dass gerade deshalb kein Geld da ist, weil nicht kontrolliert wird?

Doch wie kann man die bezirklichen Ordnungsämter, die ja auch die Steuermarken kontrollieren müssten, dazu bewegen, dies auch tatsächlich zu tun? Hier stieß ich auf eine "kreative" Idee aus den Reihen der CDU-Fraktion, die der Abgeordnete Florian Graf, heute Fraktionsvorsitzender, schon im Jahr 2007 in einem Gesetzentwurf formuliert hatte: Was wäre, wenn in Zukunft die Hundesteuer den Bezirkshaushalten und nicht mehr dem Landeshaushalt zuflösse? Dann wäre die Motivation der Bezirke sicherlich höher, die Steuer auch einzutreiben, und die Quote der säumigen Hundesteuerzahler könnte womöglich deutlich gesenkt werden. Damit stünden Mittel bereit, nicht nur für Ordnungskräfte, sondern auch für Kotbeutelspender, Auslaufgebiete usw. Eine großartige Idee! Leider ist sie im Jahr 2007 an der rot-roten Mehrheit gescheitert. Doch jetzt regiert Herr Graf ja mit. Ich fragte zweimal schriftlich und zweimal mündlich bei ihm nach, wie er denn jetzt, als Vorsitzender einer Koalitionsfraktion, zu seinem Vorschlag von damals stehe. Leider sah er sich nicht in der Lage, mir zu antworten. Wie ich von der Staatssekretärin Töpfer-Kataw erfuhr, hat er sich allerdings an die Senatsverwaltung für Justiz gewandt und um Stellungnahme gebeten. Das verstand ich nicht ganz: Herr Graf fragt im Senat nach, welche Position er zu seinem eigenen Gesetzentwurf haben soll? Ich war irritiert.

Gestern nun traf sich die Bello-Runde zum letzten Mal. Die Ergebnisse sind wenig überraschend. Eine neue Regelungen ist allerdings herausgekommen: Es soll eine Sachkundeprüfung für Hundehalter eingeführt werden (sog. Hundeführerschein). Erfolgreich geprüfte Hunde sollen in ausgewiesenen Grünflächen die Möglichkeit zum Freilauf erhalten. Ich habe so meine Zweifel an dieser Regelung, denn auch sie steht und fällt mit den Kontrollen. Wenn niemand überprüft, ob die unangeleinten Hunde im Park tatsächlich die neue Plakette tragen, dann laufen doch bald wieder alle Hunde überall frei herum. Doch wie sollen die Ordnungsämter, die schon die jetzt bei Hundekot, Leinenzwang und Hundesteuer nicht hinterher kommen, auch das noch leisten? Eine erhebliche Aufstockung des Ordnungsamts-Personals ist aus meiner Sicht zwingend, wenn man einen Sachkundenachweis einführen will. Hamburg hat das übrigens getan und hat mit Einführung des Hundeführerschein über dreißig Stellen bei den Ordnungsämtern geschaffen - nur für die Kontrolle des Hundegesetzes. In Hamburg sind 55.000 Hunde registriert, in Berlin 110.000. Der Personalbedarf in Berlin läge also bei über 60 Stellen.

Tja, und so stehe ich nun etwas ratlos am Ende des angeblich größten Bürgerbeteiligungs-Projekts, das Berlin je gesehen hat. Die letztlich vorgelegten Vorschläge liegen - abgesehen vom Hundeführerschein - ja gar nicht weit von dem entfernt, was ohnehin schon galt: Auch in Zukunft muss ein Hundehalter den Hundekot entfernen, er muss den Hund in geschützten Grünanlagen anleinen und er muss Hundesteuer zahlen. Insofern wird es auch in Zukunft darauf ankommen, dass die Verwaltung endlich anfängt, diese Regeln durchzusetzen. Fairerweise muss man jetzt abwarten, was Senat und Abgeordnetenhaus tatsächlich aus unseren Vorschlägen machen. Doch bei einem Justizsenator, der Gesetzesvollzug für nachrangig hält, und einem Fraktionsvorsitzenden, der nicht weiß, welche Meinung er zu seinen eigenen Vorschlägen hat, sind meine Erwartungen nicht sehr hoch.

Martin Goldbach

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