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Unser Kolumnist Matthias Kalle.

© Privat

Kolumne "Ich habe verstanden": Gute Unterhaltung ist schwer zu kritisieren

Die "Millionärswahl" war ein voller Reinfall. Schlechte Quoten, von allen Seiten zerrissen. Das "Dschungelcamp" ist inhaltlich auch nicht besser, findet unser Kolumnist und Fernsehkritiker. Trotzdem reden alle darüber. Und genau das ist das Dilemma.

Immerhin haben die Verantwortlichen der so genannten „Millionärswahl“ eingesehen, dass das alles einfach keine gute Idee war: Das Konzept der Sendung, die Abstimmungsrichtlinien – der ganze Murks, den man im Prinzip auch schon im Vorfeld erkannt hatte. Dummerweise brauchte es aber erst noch schlechte Quoten und Kritikerverrisse, damit die Leute bei Pro 7 und bei Sat 1 und bei der Produktionsfirma Brainpool erkannten, dass das alles so nicht funktioniert.

Nicht auffindbare Metaebenen

Manchmal wäre man ja schon gerne dabei, wenn Fernsehredakteure zusammensitzen und sich so eine neue Show ausdenken. Was dann wohl so geredet wird? Wie sie auf so Sachen kommen? Ob da auch einer dabei ist, der mal sagt, dass das alles irgendwie vielleicht nicht so richtig rund ist? Aber es gab anscheinend ja auch niemanden, der bei RTL mal laut darüber nachgedacht hat, ob man diesen „Deutschland sucht den Superstar“-Quatsch jetzt nicht mal langsam bleiben lassen sollte; oder der nachgefragt hat, ob man sich wirklich sicher sei, Prince Kay One als Jurymitglied zu verpflichten. Deutsches Fernsehen erweckt manchmal den Eindruck, als würde die erste Idee, die ein Praktikant hat, auch genommen.
Keiner vom deutschen Fernsehen hatte übrigens die Idee zu dem Format „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“, besser bekannt als „Dschungelcamp“. Die Rechte dafür wurden gekauft, und dieser Kauf hat sich für RTL gelohnt: Quoten gut – und im Prinzip sind sich alle Fernsehkritiker einig, dass es sich bei der Sendung um ein punkrockähnliches Anarchieformat handelt, in dem man so viele Metaebenen findet, dass das Zuschauen eine helle Freude sei. Tatsächlich bin ich der einzige Fernsehkritiker, der diese Metaebenen ums Verrecken nicht findet und der nach wie vor behauptet, „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ ist ganz schlechtes Fernsehen – dadurch rutschte mein Ansehen bei anderen Fernsehkritikern dramatisch ab.

Für mehr positive Fernsehkritik

Ich schau mir das natürlich trotzdem an – ein Arzt kümmert sich ja auch vor allem um kranke Menschen und nicht um gesunde. Aber vielleicht ist das ja auch das Problem – nicht nur das Problem der Fernsehkritik im Besonderen, sondern der Kritik im Allgemeinen: man kümmert sich zu sehr um die Dinge, die falsch laufen und zu wenig um die Dinge, die funktionieren. Und erst recht nicht um Dinge, die einem begeistern. Ich fand zum Beispiel die Verleihung der „Golden Globes“ ganz amüsant – was auch an der Moderation von Tina Fey und Amy Poehler lag. Ich mochte den Auftritt, den Bruce Springsteen gemeinsam mit Jimmy Fallon in dessen Late-Night-Show geboten hat (sie sangen, verkleidet als 85er Bruce, eine Version von „Born to run“ mit neuem Text, bezogen auf das Stau-Chaos in New Jersey).

Entertainment beim Handball

Und am Dienstag – übrigens der Tag, an dem im Fernsehen quasi überhaupt nichts kommt, das man loben könnte – landete ich zufällig bei Sport 1. Man weiß das ja gar nicht, dass die Handball EM stattfindet, weil sich die deutsche Mannschaft nicht qualifiziert hat, was natürlich absurd ist, denn dadurch wird diese Handball-EM ja nicht schlechter, sondern eher besser (übrigens kenntnisreich und amüsant kommentiert). Und am Dienstag zeigte Sport 1 das Spiel des Gastgebers Dänemark gegen Österreich. Und das war eine ganz große Show, was vor allem am dänischen Spieler Mikkel Hansen lag. Auch wer vom Handball keine Ahnung hat und denkt, das sei ein brutaler Provinzsport, müsste bei Hansens Spielweise umdenken: Schönheit, Präzision, Kraft – eine Stunde zum angucken. Gibt es ja ganz selten im deutschen Fernsehen.

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