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Ballermann

© dpa

Kolumne "Ich habe verstanden": Was auf Mallorca passiert, bleibt auf Mallorca

Die Pläne des Vize-Oberbürgermeisters von Palma de Mallorca, den Ballermann zu schließen, sind falsch, weil er viel Ahnung von Lokalpolitik hat, aber keine von Imagepflege. Mallorca ist mehr als der Ballermann, aber er gehört trotzdem zur Insel. Unsere Gesellschaft braucht Orte, an denen man sich gehen lassen kann.

In diesem Jahr war ich leider noch nicht auf Mallorca, na ja, vielleicht im Herbst, eine Woche, mal sehen. In den vergangenen zwei Jahren war ich auf Mallorca, es hat mir sehr gut gefallen, ich könnte hier jetzt allerhand über das so genannte Hinterland aufschreiben, aber diese Kolumne will nicht langweilen, und über das so genannte Hinterland von Mallorca wurde in den vergangenen 15 Jahren einmal zu oft geschwärmt. Mit Recht, natürlich.

Immer wenn ich auf Mallorca bin, fahre ich einen Abend für zwei Stunden zum Ballermann, Besoffene gucken. In den 80er Jahren sind Berlin-Touristen gerne mal zum Bahnhof Zoo gefahren, Junkies gucken. Das kann man menschenverachtend finden, keine Frage. Aber im Grunde genommen bedeutet das doch nur: Im Urlaub schaut man sich mal eine andere Kultur an, fremde Völker, Dinge, die man zu Hause jetzt nicht so hat. In Mitte Nerds gucken macht allerdings keinen Sinn, Nerds haben die ja auch in Pforzheim.

Der Vize-Oberbürgermeister von Palma de Mallorca will den Ballermann dicht machen, damit sich das Image der Insel ändert. Das Thema „Mallorca“ ist ein beliebtes Sommerloch-Thema, vor Jahren forderte mal ein Politiker, dass man Mallorca zu einem deutschen Bundesland machen solle, an den Namen des Politikers erinnert sich kein Mensch mehr, auf der Hitliste der Sommerloch-Themen nimmt der Vorschlag allerdings eine Spitzenposition ein. Der Vorschlag des Vize-Bürgermeisters ist nicht verrückt, er klingt vernünftig, man kann den Mann ja auch irgendwie verstehen, der muss da schließlich wohnen. Der Vorschlag ist trotzdem nicht richtig, weil der Mann bestimmt viel Ahnung hat von Lokalpolitik, aber nichts weiß von Image.

Das Image von Mallorca ist ausgezeichnet, kein Mensch denkt noch, wenn er „Mallorca“ hört, als erstes an „Ballermann“. Er denkt an das so genannte Hinterland, den Nordosten, an das Gebirge, an Valldemossa, an Fincas, kleine Buchten, gute Restaurants in Palma, an Rafael Nadal. Die Zeiten, in denen der Bildungsbürger die Nase rümpfte bei der bloßen Erwähnung des Namens der Insel sind lange vorbei – heute fliegt er selber, mietet sich ein Auto, und schaut sich alles ganz genau an – und zwar wirklich alles, heimlich auch den Ballermann.

Kein Ort der Welt hat nur „schöne Ecken“ – das zu glauben oder so zu tun als ob, ist eine Verkehrung der Tatsachen. Und mal ganz abgesehen davon: Haben denn die Menschen, für die Urlaub bedeutet sich ab mittags die Hucke vollzusaufen, dummes Zeug zu grölen und irgendwann besoffen in den Sand zu fallen, kein Recht auf Urlaub? Muss man diese Menschen, die nicht wenige sind und niemandem etwas tun, tatsächlich erziehen oder sie wie Aussätzige behandeln?

Wenn ein US-Amerikaner mal alle guten Sitten hinter sich lassen will, dann fährt er nach Las Vegas, und es gilt dort die Regel: „What happens in Vegas, stays in Vegas.“ Was immer auch in Vegas passiert – niemand wird es erfahren.

Und vielleicht braucht unsere Gesellschaft ja auch solche Orte – Orte, an denen man mal nicht funktioniert, an denen man sich gehen lassen kann. Für manche ist das eben der „Mega-Park“, für andere ist es die kleine Bucht in Cala St. Vincente. Mallorca ist nicht trotz des Ballermanns so eine großartige Insel, sondern auch, weil es den Ballermann gibt. Wir Daheimgebliebenen täten gut daran, aus Solidarität mal am Sangria-Eimer zu nippen.

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