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Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ist nicht überzeugt von einer Frauenquote bei Führungskräften.

© dapd

Kristina Schröder: Warum ich nicht auf den Quotenzug aufspringe

Frauenquoten bekämpfen Symptome, nicht Ursachen - meint Familienministerin Schröder. Wandel funktioniere nicht per ordre de mufti. Sie fordert Chancen für alle statt einen Quotenaufzug für wenige Führungskräfte.

Warum ich es mir als Frauenministerin nicht einfacher mache und auf den Quotenzug aufspringe? Aus kaltem politischem Kalkül müsste ich wahrscheinlich so agieren. Allein: Ich bin nicht überzeugt. Im Gegenteil: Ich halte die Einheitsquote sogar für einen Fehler, gerade aus frauenpolitischer Sicht. Ich bin gegen gesetzlich vorgeschriebene starre Frauenquoten in der Privatwirtschaft. Und ich verwahre mich auch dagegen, dass sich Deutschland so etwas von der EU diktieren lässt.

Wenn man sehr hoch fliegt, sieht eine starre Quote nach mehr Gerechtigkeit aus. In der Tat passt es nicht zusammen, dass wir so viele hochqualifizierte Frauen haben – aber so wenige Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten. Natürlich gibt es hier ein Problem. Nur: Was aus der Vogelperspektive richtig erscheint, kann bei der ganz konkreten Auswahlentscheidung zu einer massiven Diskriminierung führen. Wenn jemand eindeutig besser für einen Job qualifiziert ist und ihn nur deshalb nicht bekommt, weil der Staat eine Geschlechterquote diktiert, dann ist das eine klare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Ein einzelner Mensch sollte nicht dafür haftbar gemacht werden, was Generationen seiner Geschlechtsgenossen falsch gemacht haben. Eine solche Kollektivhaftung halte ich gleichstellungspolitisch für falsch und verfassungsrechtlich für höchst problematisch.

Auch frauenpolitisch ist eine Einheitsquote ein Fehler, denn sie ändert im Alltag des Großteils der Frauen überhaupt nichts. Zu glauben, dass mehr Frauen im obersten Stockwerk automatisch dazu führen, dass auch in den Stockwerken darunter mehr Frauen auf die Chefsessel wechseln, ist naiv. Das zeigt das viel zitierte Beispiel Norwegens. Die dortige 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte habe keinen Einfluss auf das Einstellungsverhalten von Firmen gehabt, sagt eine Expertin vom Osloer Institut für Unternehmensvielfalt. Es habe sich gezeigt, dass Frauen in Aufsichtsräten nach denselben Prinzipien arbeiteten wie die Männer, die sie verdrängt hätten. Die Rechnung „Mehr Frauen im Aufsichtsrat gleich mehr Frauen in allen Führungspositionen“ ist offenkundig eine Milchmädchenrechnung.

Als Frauenministerin widerstrebt es mir, zwar einigen hundert Kandidatinnen in den Aufsichtsrat zu helfen, aber die mittleren und unteren Führungsebenen sehenden Auges sich selbst zu überlassen. Wir brauchen Chancen für alle statt einen Quotenaufzug für wenige. Dazu müssen wir an die Ursachen ran.

Wir brauchen eine Debatte um faire Chancen für Frauen in Tarifverhandlungen

Der Erste Gleichstellungsbericht formuliert es deutlich: „Die Ausgestaltung von Führungspositionen ist an männlichen Lebenswelten orientiert und in der Regel an eine spezifische Anforderungsstruktur und -kultur geknüpft, die potentiell nur Arbeitskräfte erfüllen können, die von familiären Pflichten frei sind.“ Im Klartext: Wir müssen weg von Arbeitsstrukturen, die nur diejenigen nach oben lassen, denen zu Hause jemand den Kühlschrank füllt, den Nachwuchs versorgt und den Nachschub an frisch gebügelter Kleidung sicherstellt.

Mit der Einführung einer Einheitsquote könnte die Frage gesetzlicher Regelungen für „Frauen in Führungspositionen“ in der politischen Diskussion schnell und bequem abgehakt werden. Parallel dazu würden genauso schnell Ausweichstrategien auf allen Ebenen in Gang gesetzt (die im Übrigen zuhauf vorhanden sind, wie mir Personalvorstände bereits offen dargelegt haben). Das Sonnendeck wäre optisch weiblicher. Im Maschinenraum hätten viele Frauen das Nachsehen.

Der Wandel einer Unternehmenskultur funktioniert nicht per ordre de mufti. Wir müssen die Diskussion über die unternehmensspezifischen Ursachen der fehlenden Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen in die Unternehmen selbst bringen – und zwar durch die Verpflichtung der Unternehmen, sich klar und transparent zu dieser Frage zu positionieren und in den Unternehmen eine konsequente, gesetzlich abgesicherte Bewegung von unten zu ermöglichen. Das ist der Grundgedanke der Flexi-Quote.

Die Arbeitswelt muss weiblicher werden. Das muss wachsen und begleitet werden von einer couragierten Arbeitsmarktpolitik. Von fairen Chancen für Frauen kann so lange keine Rede sein, wie sich Arbeitnehmer mit familiären Fürsorgeaufgaben fehlenden Ehrgeiz vorhalten lassen müssen, Teilzeitarbeit aufs Abstellgleis führt und Frauen der Wiedereinstieg unnötig erschwert wird. Und: Wir brauchen eine Debatte darüber, welche Rolle faire Chancen und faire Bezahlung für Frauen eigentlich in den Tarifverhandlungen spielen. Die Energie, die so mancher in die Quotendebatte legt, wäre hier besser aufgehoben.

Die Autorin, 34, ist Bundesfamilienministerin. Bisher sind in unserer Serie erschienen: Antje Sirleschtov über die Notwendigkeit einer Quote (7.3.), Caroline Fetscher über Kinder und Geschlechterrollen (9.3.), Meike Fessmann über die Zumutungen des Neoliberalismus für Männer und Frauen (11.3.) und Anja Kühne über alten und neuen Widerstand gegen die Frauenbewegung (13.3.).

Kristina Schröder

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