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My Berlin: Bundeskanzler David McAllister

Willkommen also im Zentrum der deutschen Politik, Herr McAllister! Vielleicht brauchen wir wirklich einen Bundeskanzler, der eine Politik entwickelt, die die Verschwendung ausländischer Talente stoppt.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Bezeichnung „Südländer“ mag. Die Polizei benutzt diesen Ausdruck, wenn sie wieder mal nach jemandem sucht, der eine Wohnung in Schöneberg aufgebrochen hat und im Anschluss dort ein Laptop fehlt. Jetzt aber sollen es südländische Fußballkünste gewesen sein, die Deutschland stark gemacht haben. Als ich das Wort zum ersten Mal im Zusammenhang mit Fußball las, fragte ich mich: Südländisch? Ist damit der FC Bayern gemeint?

Ich ließ nicht locker und fand heraus, dass der Schlüssel zu Jogi Löws Erfolg in einer Kombination aus südländischem Fußball und deutschen Tugenden liegen soll. Sie wissen schon: Sauberkeit, Fleiß, Planung. Alles Eigenschaften also, die dem Südländer angeblich nicht in die Wiege gelegt sind. Weil er zu sehr mit Reggae-Tanzen beschäftigt ist, mit der Ernte von Kokosnüssen, mit dem Klauen von Laptops oder all den anderen Dingen, die Südländer so machen, wenn sie nicht gerade aus Bayern kommen.

Aber sind deutsche Tugenden nicht genauso gut auch koreanische oder japanische Eigenschaften? Und sind die Serben Südländer? Immerhin wurde die deutsche Mannschaft von ihnen mit Disziplin und harter Arbeit besiegt. Wenn aber die Serben keine Südländer sind, wo beginnt dann der Süden? Das alles ist ganz schön verwirrend. Und irgendwie auch rassistisch. Südländer sind immer die Anderen, die Fremden, die für uns spielen: Sie können schnell rennen, sie brechen vor dem Tor nicht zusammen und sie bleiben beim Singen der Nationalhymne auf dem Spielfeld stumm – obwohl wir sie mit weißen Trikots versorgen und sie uns dafür eigentlich dankbar sein sollten.

Der „Stern“ hat das jetzt ein „Modell für Deutschland“ genannt – und dahinter kein Fragezeichen gesetzt. Das Modell funktioniert, solange der Südländer Tore schießt. Bricht er sich ein Bein, dann sollte er sich lieber überlegen, ob das hier noch der richtige Ort für ihn ist. Über Deutschland wurde immer gesagt, dass es sich selbst nicht als Einwanderungsland begreift (obwohl es das in Wirklichkeit längst ist). Und in den Feuilletons wird seit Jahren schon das Ende von Multi-Kulti ausgerufen. Fußballer sind die Ausnahme, sie sind nicht die Norm. Und wissen Sie was? Unsere deutschen Südländer wurden gerade von echten Südländern geschlagen, den Spaniern – die auch noch mit der Disziplin von Preußen auftraten.

Vielleicht sollten wir uns lieber über Nordländer statt über Südländer Gedanken machen. Über David McAllister zum Beispiel, den Deutsch-Schotten, der Niedersachsen gerade vom blonden Christian Wulff übernommen hat. Das Modell McAllister wird deutsche Tugenden mit nordländischem Flair kombinieren. Die Tugenden Schottlands, die bald zur Grundlage des deutschen Modells werden könnten, sehen so aus:

– Verzehren Sie frittierte „Mars“-Riegel als Mittagessen.

– Schütten Sie Salz in Ihren Haferbrei.

– Beschweren Sie sich über Engländer.

– Geiz (Berühmtes Beispiel: Ein Schotte beim Arzt. „Ihre Gattin braucht dringend Seeluft.“ Da nahm der Schotte seine Frau und ging mit ihr in ein Fischgeschäft).

Willkommen also im Zentrum der deutschen Politik, Herr McAllister! Die FAZ spekuliert schon darüber, ob er nicht zur Nummer zwei der CDU werden kann: Big Mac! Weil Nordländer mindestens so interessant wie Südländer sind.

Ein Kolumnist der „New York Times“ pries kürzlich das „Neue Deutsche Volk“. Ärgerlich nur, dass ihm wohl die Zeit fehlte, den neuen Integrationsbericht der Bundesregierung zu lesen: 43 Prozent der Migranten verlassen die Schule ohne Abschluss. Deutschlands Integrationspolitik scheitert ausgerechnet zu einer Zeit, in der das Land bemerkt, wie sehr es auf Talente von außen angewiesen ist. Das Schulsystem ignoriert die Bedürfnisse von Migrantenkindern. Die Glücklichen unter ihnen werden Fußballspieler oder tragen einen Kilt und werden CDU-Mitglied. Bei den anderen bleiben Talente unerkannt.

Deutschland ist stolz auf seine Mesuts und Miros, aber es hat keinen Schimmer davon, was es von seinen Migrantenkindern erwartet. Vielleicht brauchen wir wirklich einen Bundeskanzler David McAllister, der eine Politik entwickelt, die die Verschwendung ausländischer Talente stoppt. Das ist okay – solange er uns nicht zum Essen von „Haggis“ zwingt, von schottischen Schafsdärmen.

Aus dem Englischen übersetzt von Fabian Leber.

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