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Der internationale Waffenhandel soll stärker kontrolliert werden. Doch die Staaten der internationalen Gemeinschaft können sich nicht auf einen starken Vertrag einigen.

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Neuer UN-Vertrag geplant: Konsens beim Waffenhandelsvertrag nicht um jeden Preis

Wenn das Konsensprinzip dazu führt, dass sich die internationale Gemeinschaft nur auf einen schwachen Waffenhandelsvertrag verständigen kann, sollten die Befürworter eines starken Vertrages eigener Wege gehen.

Noch bis zum 27. Juli verhandeln die Vereinten Nationen in New York über einen Vertrag zur Kontrolle des internationalen Waffenhandels (Arms Trade Treaty, ATT). Dabei geht es um völkerrechtlich verbindliche Standards für den Import, Export und Transfer von konventionellen Waffen. Nicht-Regierungsorganisationen wie Amnesty International, Oxfam und das International Action Network on Small Arms (IANSA) beispielsweise fordern schon seit langem, dass Waffenlieferungen untersagt werden, wenn sie etwa die regionale oder internationale Stabilität gefährden oder wenn zu erwarten ist, dass mit den Waffen gegen internationale Menschenrechtsnormen verstoßen wird. Dass nun über einen Waffenhandelsvertrag verhandelt wird, ist zu einem großen Teil das Verdienst ihrer internationalen Kampagne "Waffen unter Kontrolle". Ob sich die Staaten in New York einigen können, ist allerdings fraglich. Eine kleine, aber einflussreiche Gruppe von Staaten, darunter die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, hat durchgesetzt, dass die Konferenz nur im Konsens entscheiden kann. Damit hat jeder Staat quasi ein Veto-Recht, und es droht die Gefahr, dass sich die Staatengemeinschaft am Ende bestenfalls auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt.

Die Kontrolle von Kleinwaffen und Munition ist strittig 

Diese Gefahr ist umso größer, als es noch jede Menge Konfliktpunkte gibt. Das beginnt schon bei der Frage, für welche Kategorien von Waffen der Vertrag überhaupt gelten soll. Es herrscht Einigkeit darüber, dass Großwaffensysteme wie Panzer, Schiffe oder Flugzeuge in den Geltungsbereich des Vertrages fallen sollen. Für den Einschluss von Kleinwaffen und Munition gibt es zwar eine breite Mehrheit, jedoch stemmt sich China dagegen, Kleinwaffen einzubeziehen. Und die USA möchten die Munition heraushalten. Auch die Kriterien, die bei der Beurteilung von Waffentransfers angewandt werden sollen, sind höchst strittig. So sprechen sich Russland und weitere Staaten bislang gegen die Einbeziehung eines Menschenrechtskriteriums aus. Ein Vertrag ohne Kleinwaffen und Menschenrechtskriterium allerdings wäre ein zahnloses Instrument. Denn es sind vor allem die Lieferungen von Kleinwaffen an Empfänger, die die Menschenrechte mit Füßen treten, die für großes Leid mitverantwortlich sind.

Ein weiterer wichtiger Punkt für die Wirksamkeit des Vertrages ist die Frage seiner Umsetzung. Sanktionen bei Verstößen stehen in New York zwar überhaupt nicht zur Debatte. Das mindeste jedoch wäre es, die Staaten zu detaillierten Berichten über ihre Waffentransfers zu verpflichten, um so zu mehr Transparenz zu gelangen. In Kombination mit hohen Standards würde dies einen echten Fortschritt bedeuten.

Der Ottawa-Prozess zur Ächtung von Anti-Personen-Minen könnte als Vorbild dienen.

Die Unterstützer eines starken Waffenhandelsvertrags, zu denen neben Deutschland und seinen europäischen Partnern auch viele afrikanische und lateinamerikanische Staaten zählen, stehen vor einem Dilemma. Auf der einen Seite wäre es wichtig, die großen Rüstungsexporteure wie die USA oder Russland, aber auch aufstrebende Rüstungsproduzenten wie China, mit an Bord zu haben. Auf der anderen Seite gibt es kaum etwas, das sie den Gegnern eines starken Vertrages anbieten könnten, um diese zu Zugeständnissen zu bewegen. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass ein starker ATT zustande kommt. Dennoch sollten die Befürworter zunächst ihr gesamtes diplomatisches Gewicht in die Waagschale werfen, um einen starken Vertrag zu erreichen. Dabei werden sie an vielen Punkten Kompromisse machen müssen.

Zeichnet sich eine zu schwache Lösung ab, sollten sie jedoch bereit sein, einen anderen Weg einzuschlagen. Sie sollten nicht den Fehler machen, ihre Kernforderungen im Zuge des Erfolgsdrucks Preis zu geben. Im Zweifelsfall wäre es besser, ein Scheitern der Verhandlungen in Kauf zu nehmen und anschließend mit einer breiten Mehrheit der Staaten einen effektiven, nicht universellen Vertrag zur Kontrolle des internationalen Waffenhandels anzustreben.

Der sogenannte "Ottawa-Prozess" könnte hierbei als Vorbild dienen: Nachdem es nicht gelungen war, im Rahmen der Vereinten Nationen einen starken Vertrag zur Ächtung von Anti-Personen-Minen durchzusetzen, hatte sich eine Mehrheit der Staaten dem Konsensdruck entzogen und sich 1997 auf das Ottawa-Abkommen verständig. Dieses Abkommen ist seit 1999 in Kraft und beinhaltet unter anderem ein umfassendes Verbot von Herstellung, Einsatz, Transfer sowie Lagerung aller Arten von Anti-Personen-Minen. Das Abkommen wurde inzwischen von über 150 Staaten ratifiziert und gilt als Meilenstein der humanitären Rüstungskontrolle.

Dr. des. Max Mutschler forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zu Rüstungskontrolle. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik Kurz gesagt.

Max Mutschler

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