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Meinung: Angst vor dem Blitzkrieg

Von Moritz Döbler

Wie böse der Kapitalismus doch sein kann! Da fasst die Deutsche Börse den schönen Plan, die Londoner Stock Exchange für zwei Milliarden Euro zu übernehmen, und dann kommen unmoralische, kurzfristig denkende Finanzjongleure, steigen in großem Stil in das Frankfurter Unternehmen ein und durchkreuzen das Vorhaben. Wollten sie bewusst dem Standort Frankfurt schaden?

Vorsicht, wenn Banker Verschwörungstheorien kolportieren, obwohl niemand so sehr an die freien Kräfte des Marktes glaubt wie sie, dann ist etwas faul! Die bösen Hedgefonds konnten nur einsteigen, weil andere Anleger ihre Anteile vorher verkauft hatten: Die Deutsche Börse ist also von ihren eigenen Aktionären im Stich gelassen worden. Wer an den Sinn des Übernahmeplans glaubte, hätte nicht Kasse machen dürfen. Ohnehin hielten deutsche Anleger im vergangenen Quartal kaum mehr als ein Drittel der Aktien, während die Hälfte in britischen und amerikanischen Händen war. Dieser Trend dürfte sich in den vergangenen Wochen noch verstärkt haben. Dass sich die Hedgefonds angelockt fühlen von dem Riesenbatzen Geld, den die Deutsche Börse für den Plan beiseite gelegt hatte, darf nicht überraschen. Vorerst wird nun nichts aus der Übernahme, die Deutsche Börse schüttet vermutlich einen Großteil der Kriegskasse als Sonderdividende aus, und die Hedgefonds ziehen weiter.

Schuld sind indes nicht nur die treulosen deutschen Aktionäre, sondern auch Börsenchef Werner Seifert. Wenn die Analyse richtig ist, dass sein Unternehmen nur durch Zukäufe entscheidend wachsen kann und dass London die einzige wirkliche Chance dafür ist, dann hätte man vielleicht mit den härtesten Bandagen des internationalen Finanzgeschäfts kämpfen müssen. Eine feindliche Übernahme? Warum nicht – die Londoner Boulevardzeitungen hätten sich zwar eines Börsenblitzkriegs mit Hingabe angenommen, aber vielleicht hätte am Ende eine erfolgreiche Übernahme gestanden. Seiferts Ankündigung, vielleicht wieder mitzubieten, wenn die Pariser Börse ein Angebot für London vorlegt, ist aus heutiger Sicht wenig plausibel, da erst die Sonderdividende zu zahlen ist. Und so bleibt Frankfurt Frankfurt.

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