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Beate Zschäpes Anwältin Anja Sturm

© dpa

Anja Sturm: Wie die Zschäpe-Anwältin zur Celebrity wurde

Anja Sturm, die Rechtsanwältin der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe, verlässt Berlin. Wird ihr nur das Mandat verübelt - oder steckt mehr dahinter?

In der Berliner Anwaltsszene ereignete sich ein kleines Drama mit bundesweiter Resonanz, der Weggang von Anja Sturm aus Berlin. Der Eindruck entstand, Anwälte hätten ihr die Verteidigung der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe vorgeworfen, auch Kollegen aus dem eigenen Büro. Weil man als anständiger „linker“ Anwalt keine Rechtsextremisten verteidige. Wie bei fast allen Konflikten gibt es dazu mehrere Wahrheiten.

Eine ist die wirtschaftliche. Pro Verhandlungstag darf jeder der drei Pflichtverteidiger rund 350 bis 700 Euro abrechnen. Der Riesenaufwand für Vor- und Nachbereitung wird, wenn überhaupt, mit kleinen Pauschalen abgegolten. Weil das Mandat ein Vollzeitjob ist, wären daraus neben dem Lebensunterhalt – im Fall Sturm: einer vierköpfigen Familie – auch Büromiete und Gehälter zu bestreiten.

Es gibt drei Sorten von Verteidigern, die ein solches Mandat übernehmen. Jene, die es nötig haben, weil sie sonst nichts haben. Jene wenige, die sich das leisten können. Und jene, denen alles egal ist, weil sie dies für das Mandat ihres Lebens halten. Für die dritte Gruppe könnte die Zschäpe-Verteidigung zum „Killermandat“ werden, von dem in Berlin häufiger die Rede gewesen sein soll.

Eine weitere Wahrheit betrifft die Vorstandswahl der Berliner Strafverteidigervereinigung im Januar, bei der Sturm als Kandidatin knapp durchgefallen war. Dort soll es laut einem Zeitungsbericht scharfe Kritik wegen des Mandats gegeben haben. Tatsächlich gab es zwei Wortmeldungen dazu, nur eine enthielt einen politischen Vorwurf. Sturm hatte laut Bericht selbst gesagt, sie glaube nicht, dass ihr Scheitern darauf zurückgehe. Viele Teilnehmer sahen dies genauso.

Eine dritte Wahrheit ist, dass Anja Sturm unter den Strafverteidigern trotz Kritik am Mandat Rückhalt genossen hat. Bis wenige Tage nach den Vorstandswahlen ein Artikel im „Spiegel“ erschien, in dem sie nicht nur kundtut, wie sie sich das Vertrauen ihrer ansonsten schweigsamen Mandantin erwarb, sondern auch von ihrem Brustkrebs erzählt, von ihrem Leben als Zwillingsmutter und Alleinverdienerin, dem tollen Gatten und wie ihre Kinder sie bewundern. Porträts und TV-Auftritte folgten. Sicher wird es Kollegenneid gegeben haben. Aber es gab auch viel Unverständnis, weil dem Mandanten – und um ihn geht es Anwälten – solche Zurschaustellung am wenigsten nutzt.

Die aktuelle Wahrheit ist, dass sich Sturm von der Boulevardpresse bei einer „Schampus-Party“ im Hotel Vier Jahreszeiten ablichten ließ, in dem sie während der Prozesstermine logiert. Nun wird skandalisiert, was der Prozess den Steuerzahler alles kostet. Wahr ist daher, dass der Aufstieg der Anwältin Sturm zur Celebrity der Mandantin langsam schadet. Und möglich ist auch, dass Sturm, würde es diese Geschichten nicht geben, als Anwältin in Berlin geblieben wäre.

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