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Meinung: Annans Liste

Von Caroline Fetscher

In Kofi Annans Aktenkoffer, sagt er selbst, steckt eine versiegelte Liste. Es ist eine Liste der Namen mutmaßlicher Kriegsverbrecher aus Darfur in Sudan, einer Region von der Größe Frankreichs. Namen, aus denen Angeklagte werden sollen, die sich vor einem internationalen Gericht verantworten müssen. Nicht drastisch genug können wir uns die Gräuel vorstellen, denen in Darfur jeden Monat 10 000 Menschen zum Opfer fallen. Männer werden an Holzkreuze genagelt, Kleinkinder bei lebendigem Leib verbrannt, Frauen und Mädchen von Vergewaltigern in Lagern gehalten, Menschen werden die Augen ausgestochen, Müttern die Säuglinge weggerissen. Es grenze an Genozid, resümiert der SudanReport. Sudans Regierung in Khartum gab sich gleichwohl „erleichtert“. Aha, kein Genozid.

„Nur“ Massenmord? Damit darf das kriminelle Regime nicht davonkommen. Am schärfsten riefen die USA, Powell und Bush, nach dem Ahnden der Gewalt in Sudan, so eindrucksvoll und vehement, wie sonst nur Human Rights Watch und Amnesty International. Nun kann das Völkerrecht zupacken. Geht es nach der Empfehlung des UN-Reports, kommen die Verbrechen vor den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag, was Annan und die Menschenrechtler befürworten. Genau das aber fürchten jetzt die USA: Es brächte einen Zuwachs an Legitimation und Prestige für den ICC, den sie ablehnen. Stattdessen wollen die USA das Mandat des UN-Ruanda-Tribunals in Arusha um den Fall Sudan erweitern. Unversöhnlich prallen beide Positionen aufeinander, während man in Khartum darüber heimlich frohlockt.

Eins ist glasklar: Der Sicherheitsrat muss handeln. Ob er das Mandat des Ruanda-Tribunals erweitert oder den ICC beauftragt – die versiegelte Liste der Namen in Kofi Annans Tasche darf nicht vergilben. Gehandelt werden muss, so schnell und pragmatisch wie möglich. Zum Nutzen der Opfer. Nicht für oder gegen irgendeine ideologische Stimmung oder Furcht.

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