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Meinung: Anpassungen an die Erderwärmung

Wir werden in Zukunft mit einem veränderten Klima leben müssen

Alexander S. Kekulé Selten hat eine Klimakonferenz in Deutschland für so viel Begeisterung gesorgt. Nach dem Ende der zweiwöchigen Verhandlungen in Montreal sprach Umweltminister Sigmar Gabriel von einem „wirklich guten Ergebnis“. Deutsche Vertreter des Umweltverbands WWF sahen ein „Signal der internationalen Staatengemeinschaft“, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland wertete das Ergebnis als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Selbst die notorischen Quertreiber von Greenpeace waren begeistert.

Bei Betrachtung der mageren Ausbeute fällt es schwer, die Euphorie der deutschen Beobachter zu teilen. Die USA traten, in merkwürdiger Brüderschaft mit Russland und China, unverhohlen als Boykotteure auf. Erst die ungewöhnlich offene Kritik des kanadischen Premierministers und ein medienwirksamer Überraschungsauftritt von Bill Clinton brachten die USA noch zu dem Zugeständnis, an weiteren informellen und „nicht bindenden“ Gesprächen teilzunehmen. Gefeierter Konsens ist nun, dass alle weiter miteinander sprechen wollen, und zwar ab Mai 2006. Eine echte Neuerung gab es allerdings doch: Die armen Länder der Erde sollen, sofern finanzierbar, zusätzliche Hilfe bekommen – damit sie sich besser an die Erderwärmung anpassen können.

Dass die kommt, ist wissenschaftlich nicht mehr umstritten. Im vergangenen Jahrhundert ist die globale Temperatur um 0,7 Grad gestiegen, bis 2100 werden nach Vorhersagen der UN-Umweltbehörde weitere 1,4 bis 5,8 Grad hinzukommen. Für Küstenbewohner, Eskimos und Anrainer von Gletschergebieten wird es dann ungemütlich – die Wirbelstürme des Sommers waren nur ein Vorgeschmack auf die noch bevorstehenden Veränderungen. Eine wesentliche Ursache der Erwärmung ist der Ausstoß von Treibhausgasen und insbesondere von Kohlendioxid, das bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht. Wegen ihres exorbitanten Energiekonsums stehen die USA unangefochten auf Platz eins der Erderwärmer.

Dass das so nicht weitergehen darf, ist auch unbestritten. Im Abkommen von Rio im Jahre 1992 vereinbarten 189 Staaten optimistisch, den globalen Ausstoß der Treibhausgase auf dem Stand von 1990 zu halten. Am Protokoll von Kyoto 1997, in dem verbindliche Vorgaben festgelegt wurden, beteiligten sich nur noch 38 Industrienationen (einschließlich der EU-Mitglieder, Kanada, Japan und Russland) – die USA und die Entwicklungsländer machten nicht mehr mit. Der Stand von 1990 ist inzwischen um mehr als zwölf Prozent überschritten. Trotzdem gilt Kyoto als Erfolg: Wenn die Mehrheit der Industrieländer die Weltwirtschaft auf energiesparende und abgasvermeidende Techniken umstellt, so das Kalkül, müssten auch die USA früher oder später mitziehen, um im globalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Doch seit Montreal ist klar, dass diese Rechnung nicht aufgeht: Statt isoliert zu werden, haben die USA in den aufstrebenden Ländern wie China und Indien mächtige Unterstützer gefunden. China, das heute bereits alle Rekorde bei der Umweltverschmutzung bricht, wird die USA in zwei Jahrzehnten beim Treibhausgasaustoß überholen. Im globalen Wettbewerb werden die Billigproduzenten, denen die Umwelt egal ist, die Regeln bestimmen.

In Montreal ging es derweil zu wie im Kindergarten: China, Russland und Indien wollen nur mitspielen, wenn sich auch die USA an die Regeln halten. Die USA schmollen, weil die Entwicklungsländer keine Kyoto-Vorgaben bekommen haben. Die vermeintlich brave EU verpetzt alle anderen – dabei hat sie das Ziel, ihre Treibhausgase bis 2012 um acht Prozent zu mindern, erst zu einem Sechstel umgesetzt. Und das auch nur, weil die maroden Luftverpester der DDR stillgelegt und in Frankreich die Kernkraft ausgebaut wurde. Heute ist klar, dass die nachfolgenden Generationen klimatisch in einer anderen Welt leben werden. Einer ihrer Vertreter, der vierjährige Sohn des Autors, hat dafür einen pragmatischen Vorschlag: „Dann muss der liebe Gott halt noch mal von vorne anfangen.“

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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