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Antisemitismus: Du Opfer, du Jude!

Unter muslimischen Migranten sind antijüdische Ressentiments weit verbreitet. Hartnäckig halten sich in diesem Milieu die klassischen, antisemitischen Stereotype, besonders in Deutschland.

Von Caroline Fetscher

Mesut Özil gehört zu „uns“. Selbst den, der beim Spiel gegen Ghana (Afrika! Ex-Kolonie!) heimlich den Gegnern der deutschen Mannschaft die Daumen gedrückt hat, freut das. Denn ein deutschtürkischer Torschütze, bejubelt von Migranten und Nichtmigranten, hat die Fußballnation erlöst, und das allein hilft der Integration von Muslimen hier und in Europa mehr als tausend Plakatkampagnen.

Doch nicht nur der sympathische, abgekämpfte Özil gehört zur Bevölkerung, sondern auch die Jungs und Mädchen, in denen Charlotte Knobloch, Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, eine „neue gesellschaftliche Herausforderung“ sieht. Erschrocken konstatieren der Zentralrat, die Medien, die Öffentlichkeit grassierende antijüdische Ressentiments bei in Deutschland lebenden Muslimen. „Tief bestürzt“ zeigt sich Niedersachsens türkischstämmige Integrationsministerin Aygül Özkan von der CDU über die brutale Attacke muslimischer Jugendlicher auf eine Tanzgruppe der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover. Und Levi Salomon, Antisemitismus-Beauftragter der Jüdischen Gemeinde Berlin, sieht darin eine Folge der auch unter Europas Muslimen verbreiteten Hasspropaganda gegen Juden.

So richtig und wichtig die aktuelle Aufregung ist, so wenig sollte vergessen werden, dass die Steinewerfer von Hannover überall im Land, auf Schulhöfen und in Jugendcliquen ihre Kumpane haben – und das seit vielen Jahren. „Du Opfer!“ und „du Schwuler!“ und „du Jude!“ – jeder Lehrer kennt es – sind gängige Beschimpfungen besonders von arabischen Heranwachsenden. Hartnäckig halten sich in diesem Milieu die klassischen, antisemitischen Stereotype, besonders in Deutschland. Warum Juden hier keine Steuern zahlen, fragte etwa ein Gymnasiast seinen jüdischen Lehrer. Den Besuch im Jüdischen Museum Berlin empfinden Schulklassen mit großem Migrantenanteil oft als Zumutung.

Die Sache in Hannover bringt daher nichts Neues ans Licht, sie markiert nur öffentlicher, krasser, was unter der Oberfläche brodelt. Gefüttert wird das Arsenal der Ressentiments noch zusätzlich, seit Hetzsender aus dem Mittleren Osten via Satellitenschüssel überall in Europa empfangen werden können. Was bei einheimischen Programmen sofort vom Staatsanwalt unter die Lupe genommen werden würde, sickert von dort ungehindert über den Äther ein. Nicht nur, dass der massenhafte Konsum solcher Sendungen die Sprachkompetenz der eingewanderten Jugendlichen reduziert; er verführt auch dazu, die Vorurteile zu verfestigen, die ohnehin in der Community grassieren. Dass Umfragen über Antisemitismus ein moderateres Ergebnis erbringen, sollte nicht täuschen: Was man in Deutschland offiziell hören will, weiß jeder, der mit einem schönen Fragebogen konfrontiert wird. Das Problem, der Antisemitismus unter muslimischen Migranten, existiert. Es ist verbreiteter, „normaler“, als die Gesellschaft wahrhaben will.

Nur durch eine beherzte Schulpolitik, massive Aufklärung und Strafverfolgung lässt sich dem entgegenwirken. Die antisemitischen Steinewerfer von Hannover haben das Problem jetzt in die Öffentlichkeit hineingeworfen – als Auftrag.

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