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Meinung: Antörnen oder Aufpumpen

Doping muss bekämpft werden wie Drogenmissbrauch

Alexander S. Kekulé Man kann die Geschichten von den schwarzen Schafen beim Doping kaum noch glauben: Ob bei den Radfahrern, den Schwimmern oder den Leichtathleten – immer sollen es die entlarvten Sportler selbst und ganz alleine gewesen sein. Teamkollegen, Trainer, Mannschaftsärzte und Sportfunktionäre distanzieren sich reflexartig. Strengere Kontrollen, oder gar ein Antidopinggesetz, seien Unsinn, weil ja die meisten Sportler „sauber“ wären und niemand kriminalisiert werden dürfe. Dopingfälle gehörten deshalb, so meint etwa der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes Thomas Bach, vor die Sportgerichte und nicht vor die Strafkammern.

Dass indes ein Sportarzt, der einen Athleten jahrelang persönlich betreut, vom Doping seines Schützlings so ganz und gar nichts ahnt, ist höchst unglaubwürdig. Auch ohne Damenbart, Akne und unvermittelten Stimmbruch macht sich Doping für den Mediziner bemerkbar: An den Blutwerten, der Kalorienaufnahme, dem Körpergewicht und den Leistungskurven. Wer einen Sportler über Jahre intensiv beobachtet und betreut, muss zumindest Indizien bemerken, die einen Dopingverdacht nahe legen. Und wenn der Teamarzt Bescheid weiß, oder zumindest gezielt wegschaut, dann ahnen es auch die Trainer, Manager und Funktionäre.

Ein Antidopinggesetz ist vor allem deshalb nötig, weil die riesige Grauzone von Gelegenheitsdopern, Mitwissern und Helfershelfern abgeschreckt werden muss. Solange Anabolika in Fitnesscentern lässig verteilt werden wie Partydrogen, solange Besitz und Einnahme der meisten Dopingmittel sowie Beihilfe zum Doping nicht strafbar sind, wird der verharmlosten Pillenschluckerei nicht beizukommen sein. Jeder muss wissen, dass Doping kein Kavaliersdelikt ist. Jedes durch Doping ergaunerte Preisgeld, jede Werbeeinnahme muss zurückgezahlt werden. Und am Doping beteiligte Ärzte müssen ihre Lizenz verlieren – bisher gehen sie meist straffrei aus, weil sie im Prinzip verschreiben dürfen, was sie wollen.

Der Handel mit Dopingmitteln wird längst von internationalen Banden gesteuert, die agieren wie Drogenkartelle. Die Pillen, Säfte und Spritzen werden teils aus der Produktion „seriöser“ Pharmafirmen abgezweigt, teils in geheimen Laboren illegal hergestellt. Von dem High-Tech-Medikament Erythropoietin (Epo), für bestimmte Patienten ein lebensrettender Segen, werden Schätzungen zufolge mindestens zwei Drittel der Weltproduktion zum Doping missbraucht (das dürften auch die Hersteller ahnen). Durch Epo und das ähnlich wirkende Eigenblutdoping kommen Jahr für Jahr junge, gesunde Menschen ums Leben – laut einer australischen Studie sind seit 1998 alleine 28 Radfahrer an Eigenblutdoping gestorben. Die Doping-Dunkelziffer unter den „unklaren Herztoden“ bei jungen Menschen dürfte riesig sein.

Dabei ist kaum vorstellbar, dass vermögende und relativ gut kontrollierte Stars wie Floyd Landis, Jan Ullrich oder Justin Gatlin selbst als Versuchskaninchen für die neuesten Mittel herhalten müssen. Wie die Wunderwaffen aus den Forschungslaboren wirken, wie sie zu dosieren sind und vor allem ihre Nachweisgrenzen bei Kontrollen können nur durch illegale Menschenexperimente herausgefunden werden. Wie, wo und an wem die mafiaähnlich organisierten Dopingkartelle das ausprobieren, mag man sich gar nicht ausmalen. Jedenfalls werden die lebensgefährlichen Versuche nicht mit gut zahlenden Stars aus reichen Ländern, sondern an armen Schweinen irgendwo auf der Welt gemacht.

Die Überführung von Dopingsündern ist, entgegen anders lautenden Befürchtungen, kein unlösbares Problem – es müsste nur der gleiche technische und kriminalistische Aufwand betrieben werden wie im Kampf gegen Drogen. Dazu gehört zunächst, dass Verkehr und Verschreibung bestimmter Dopingmittel – wie Epo und androgene Anabolika – eingeschränkt werden wie bei Betäubungsmitteln. Zweitens müssen die Athleten, um bei wichtigen Wettkämpfen zugelassen zu werden, von Beginn der Trainingsperiode an jederzeit für unangemeldete Kontrollen zur Verfügung stehen. Dass sich Sportverbände dagegen sträuben, ist nicht nachvollziehbar – was für betrunkene Autofahrer und angetörnte Raver als zumutbar gilt, muss auch für aufgepumpte Athleten billig sein.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Molekulare Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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