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Arbeitsministerin: Ursula von der Leyen: Die Reservekanzlerin

Mit dem Etat für Arbeit und Soziales kann Ursula von der Leyen viel bewegen. Auch für sich.

Sie wollte ja Gesundheitsministerin werden, gelernte Medizinerin, die sie ist. Das wurde sie nicht. Dann hieß es, die bisherige Familienministerin wolle nach Brüssel wechseln, als EU-Kommissarin, was insofern gepasst hätte, als sie nahe der belgischen Hauptstadt geboren wurde, weil ihr Vater einst für die Europäische Gemeinschaft arbeitete. Dazu kam es auch nicht. Berichte über eine gelinde Unzufriedenheit wurden fein dementiert. Aber als dann Franz Josef Jung Opfer des Bombardements von Kundus in Afghanistan wurde und den Posten des Arbeits- und Sozialministers aufgeben musste, schlug ihre Stunde: Ursula von der Leyen. Sie übernahm den Posten.

Und was für einen. Dieses Ressort hat den weitaus höchsten Einzeletat, 147 Milliarden Euro, und enormen öffentlichen Einfluss. Das Amt trifft, seit dem „Schattenkanzler“ Wolfgang Clement und den Hartz-Reformen erst recht, den Nerv der Bundesdeutschen. Ihr Wohl hängt daran. Arbeit und Entlohnung, Gerechtigkeit und die Weiterentwicklung der arbeitsteiligen Gesellschaft: In einer Marktwirtschaft, die sich sozial nennt, liegt hier eine Menge politisches Gestaltungs- und zugleich Zerstörungspotenzial. Wenn die Bereitschaft zum Konsens fehlt.

Nicht so bei Leyen. Ihre gestrige Rede zum Etat 2010 hat es gezeigt: Sie ist pragmatisch, konsensorientiert, und wie schon im vorigen Amt hat sie keine Furcht vor Sozialdemokratismus. „Weil auf der betrieblichen Ebene viel mehr Absprachen im Konsens möglich sind, zeichnet sich Deutschland inzwischen auch im internationalen Vergleich durch eine sehr hohe betriebsinterne Flexibilität aus. Da sind zu nennen: das Kurzarbeitergeld, der Abbau von Überstunden, Arbeitszeitkonten.“ In ihr Lob der Flexibilität flocht sie allerdings ein: „Dieses Mehr an Flexibilität muss immer in einer Balance mit dem notwendigen Schutz der Beschäftigten stehen. Soziale Marktwirtschaft heißt, der Wirtschaft Freiheit zu geben, aber immer im richtigen Rahmen.“

Darum hoffen denn auch die Sozialpartner in der Metallindustrie auf sie. Erstens im Hinblick auf die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bei Kurzarbeit. Die läuft Ende 2010 aus, soll aber verlängert werden. Das kostet. Zweitens gibt es in der Metallindustrie eine tarifliche Regelung zur Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich (bis zu fünf Stunden weniger, bei entsprechenden Einkommenseinbußen). Da die gesetzliche Kurzarbeit an Grenzen stößt, wollen die Tarifparteien über fünf Stunden hinaus kürzen – aber einen Teillohnausgleich vom Staat. Beides kostet.

Leyen wird viel zugetraut. Schafft sie es, dass staatliches Geld Massenentlassungen verhindert, lässt das die FDP alt aussehen – und die CDU bei Wahlen gut. So kann es kommen, dass „Röschen“ von der Leyen der Kanzlerin mit ihrer Popularität und ihrem Einfluss ein Dorn im Auge wird. Zumal manche Christdemokraten ihr sogar die Nachfolge zutrauen.

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