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Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble hat im Tagesspiegel-Interview Verständnis für den Unmut der griechischen Bevölkerung geäußert.

© dpa

Athen und Berlin: Griechenland hat genug gespart

Wenn das hoch verschuldete Berlin sparen müsste wie Athen, wäre hier das ganze Jahr über 1. Mai. Weitere Spar- und Rettungspakete können ein Land nicht retten, wenn das Volk nicht mitzieht.

Auf diesen Montag lief alles zu. Eine Zäsur soll er sein, wieder einmal. Heute entscheiden die Euro-Finanzminister nach schwierigen Verhandlungen über ein weiteres, 130 Milliarden Euro schweres Hilfspaket für Griechenland. Ob es das letzte sein wird, kann niemand wissen. Die Geldgeber täuschen Sicherheiten vor, die sie nicht haben.

Denn was taugt ein Beschluss des griechischen Parlaments, wenn das Volk am Ende nicht mitziehen sollte? Was nützen Erklärungen möglicher Koalitionspartner, wenn sie bei der Wahl im April alle abgewählt werden sollten? Was nützt ein Sperrkonto zur Rückzahlung von Krediten, auf das Staatseinnahmen fließen sollen, wenn der Staat doch noch bankrottgehen sollte?

Wenn heute der Beschluss für das Hilfspaket fällt, dann nicht, weil es eine sichere Investition wäre. Aber eine Investition ist es – eine kluge. Griechenland hätte nie in die Euro-Zone aufgenommen werden dürfen, aber die Euro-Zone darf nicht an der Aufnahme eines kleinen Entwicklungslandes an der Peripherie zerbrechen. Es wäre ein Eingeständnis der Schwäche, von dem sich der Kontinent lange nicht erholen würde. Und billiger würde dieser Weg ganz sicher nicht.

Wenn das so ist, kann man aber den Griechen nicht immer weiter Excel-Tabellen um die Ohren hauen und ihnen vorrechnen, was sie noch sparen müssen. Es wäre gut, wenn dieser Montag wirklich eine Zäsur wäre, also ein Moment, von dem an es anders weitergeht als vorher. Es sind fürs Erste genug Reformen und Sparpakete in Griechenland beschlossen worden. Ohne das griechische Volk wird das alles nicht klappen.

Man stelle sich das doch einmal andersherum vor. Nehmen wir zum Beispiel für einen Moment Jan Eder beim Wort. Das Land Berlin sei auf Bundesebene das, was Griechenland in der Euro-Zone sei, hat der Hauptgeschäftsführer der örtlichen Industrie- und Handelskammer gerade behauptet. Und Finanzsenator Ulrich Nußbaum schlug einen Schuldenschnitt vor: 30 Milliarden Euro sollten der Hauptstadt erlassen werden, also rund 50 Prozent der aktuellen Schulden.

Wie würden es die Bürger aufnehmen, wenn die anderen Bundesländer daraufhin eisern Sparpakete in Berlin durchsetzten? Vorschläge gäbe es genug. Man könnte die meisten Beamten zu Angestellten machen, Pensionen kürzen, die Verwaltung verschlanken, die Steuern erhöhen. Man könnte FU und HU zusammenlegen, Zoo oder Tierpark schließen, die neue Landesbibliothek vergessen, den Weiterbau der A 100 stoppen, den Landesanteil an den Flughäfen verkaufen. Und der Bundesfinanzminister könnte sich vor der nächsten Wahl von allen Fraktionen im Abgeordnetenhaus Unterschriften für das Sparpaket holen und ein Sperrkonto für Landeseinnahmen einrichten.

Wenn das so käme, dann wäre in Berlin das ganze Jahr 1. Mai. Die Bilder brennender Gebäude in Athen, die in den Fernsehnachrichten aufflackerten, sind erschreckend. Aber bedeutsamer ist doch, wie ruhig die allermeisten Bürger des Landes geblieben sind. Denn ohne Stabilität und Vertrauen werden sich keine privaten Investoren finden. Griechenland braucht aber ein neues Geschäftsmodell, nur mit Tourismus und Olivenöl wird kein Staat zu machen sein. Statt Griechenlands Euro-Austritt zu fordern, sollten deutsche Unternehmer und Manager wie Bosch-Chef Franz Fehrenbach über Investitionen nachdenken. Die Politik in Athen, Brüssel, Berlin und Paris hat ihren Job gemacht, auch die Banken ziehen mit – jetzt ist die europäische Industrie dran.

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