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Die Erneuerbaren Energien, hier in Form einer Solaranlage, sollen in die erste Reihe rücken - Atomkraftwerke hingegen Auslaufmodelle werden.

© dpa

Atomausstieg: Der Preis und der Wert

Im Grunde läuft die ganze Kostendiskussion falsch herum. Was die Energiewende kostet und wer sie bezahlt, ist gewiss wichtig. Die bedeutsamere Frage ist aber eine ganz andere. Ein Kommentar.

Von Robert Birnbaum

Es gibt Feststellungen, die sind derart selbstverständlich, dass man sie gar nicht oft genug wiederholen kann. Also zum Beispiel diese: Die Energiewende ist nicht umsonst zu haben. Überrascht das irgendjemanden? Natürlich nicht. Trotzdem sind im Moment recht viele Menschen unterwegs, die die Banalität mit unheilschwangerem Tremolo in der Stimme verkünden. Milliardensummen geistern durch Konzeptpapiere, steigende Strompreise und das Ende energieintensiver Industrien werden ebenso beschworen wie Gefahren für die Haushaltskonsolidierung. Überrascht das irgendjemanden? Natürlich nicht. Der Kampf um den Preis für den Atomausstieg hat begonnen.

Dabei gilt im Moment eine Faustformel: Je konkreter eine Zahl, desto verdächtiger. So lange nicht klar entschieden ist, wie der Weg aus dem Atom- in den Alternativenergiestaat aussehen soll, lässt sich seriös nicht viel beziffern. Wenn der freidemokratische Wirtschaftsminister ein bis zwei Milliarden Euro Mehrkosten für den Bundeshaushalt kalkuliert, dann ist das eine politische Zahl. Im Falle Rainer Brüderles dürfte das Kalkül lauten: Bis dahin und nicht weiter!

Aber auch sonst ist Misstrauen gegen allzu präzise Dahergerechnetes angebracht. Dass die Strompreise steigen werden, davon gehen alle aus. Wann und in welchem Umfang, ist viel ungewisser. Die Stromwirtschaft verliert billigen Atomstrom und muss in neue Kraftwerke und Netze investieren. Aber das sind nur einige der sehr vielen Variablen, die den Strompreis auf einem grenzüberschreitenden Markt bestimmen. Für drastische Preissprünge spricht wenig; allfällige Schwankungen im Gaspreis dürften folgenschwerer sein als der Atomverzicht.

Ähnlich die Lage beim Bundeshaushalt. Unbestritten entgehen Wolfgang Schäuble Einnahmen, die aus der Laufzeitverlängerung resultierten. Vermutlich wird er noch Geld herausrücken müssen, etwa für Energiesparmaßnahmen. Aber bei aller Ehrfurcht vor der Milliarde – ganz und gar unbezahlbar ist das alles nicht. Auch an der Schuldenbremse wird eine Energiewende nicht scheitern.

Der Zwang zum staatlichen Sparen zwingt nur doppelt zu Ehrlichkeit. Wer den populären Ausstieg will, darf die weniger populären Konsequenzen nicht scheuen. Er muss sich politisch und planungsrechtlich mit empörten Anwohnern anlegen. Er muss sich mit Länderfürsten streiten, die Föderalismus als angewandtes Floriansprinzip missverstehen. Er muss vor dem Jammern der klassischen wie den Sirenengesängen der Öko- Strombranche die Ohren verschließen – beide wittern die Chance auf Subventionen und Härtefallklauseln. Er muss im Zweifel Haushaltsgeld anderswo abzweigen. Notfalls sollte er sich nicht einmal scheuen, seine Bürger direkt um Hilfe zu bitten. Es werden für weit unwichtigere Dinge Steuern erhoben.

Im Grunde läuft die ganze Kostendiskussion falsch herum. Was die Energiewende kostet und wer sie bezahlt, ist gewiss wichtig. Die bedeutsamere Frage lautet aber: Was ist uns dieser Schritt wert? Was sind wir bereit zu investieren – an Ideen, Selbstvertrauen, am viel beschworenen deutschen Erfinder- und Unternehmermut, auch an Geld –, um diesem Land eine zukunftsfeste Energiestruktur zu geben, die zum Vorbild werden kann? Aus dieser Perspektive schrumpfen Haushaltsfragen rasch zu Tagesproblemen – schwierig, aber lösbar. Wer weitere Entscheidungshilfe braucht, frage die Menschen von Fukushima. Sie wissen, was der Schritt wert ist.

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