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Atomkraft: Der Ausstieg ist beschlossen

Wer jetzt theatralisch von einem "Anschlag auf die Demokratie" spricht und von einem "Ausstieg aus dem Ausstieg" redet, hat etwas Wesentliches nicht verstanden. Es geht in Deutschland längst nicht mehr um ein Pro oder Contra Atomkraft. Ein Kommentar.

Nun lassen wir mal den Meiler im Dorf. Gemessen an der ursprünglichen Forderung der Anti-Atomkraft-Bewegung nach einer sofortigen und bedingungslosen Stilllegung aller Nuklearanlagen hat schon einmal eine Bundesregierung ziemlich lange Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke beschlossen. Das war im Dezember 2001. Gerhard Schröder und Jürgen Trittin hatten damals monatelang mit den Chefs der Atomindustrie in Hinterzimmern gekungelt und schließlich die Novelle des Atomgesetzes auf den Weg gebracht. Die Gesamtlaufzeit von Meilern sollte 32 Jahre betragen, wann der letzte vom Netz gehen muss, wurde nicht festgelegt, als sicherste Schätzung galt ein Termin irgendwann nach dem Jahre 2020.

20 Jahre Atomkraft: Das bedeuteten 20 weitere Jahre ungelöste Endlagerung, 20 weitere Jahre Atommülltransporte, 20 weitere Jahre atomare Missbrauchsmöglichkeit, 20 weitere Jahre Gau-Risiko, 20 weitere Jahre mögliche radioaktive Strahlung. Weil aber damals ein grundsätzlicher Ausstieg aus der Atomtechnologie beschlossen wurde, feierte Rot-Grün den Beschluss als energiepolitische Heldentat. Die Risiken und Nebenwirkungen nahm man großzügig in Kauf.

Nun will eine schwarz-gelbe Bundesregierung die Laufzeiten für die noch aktiven 17 deutschen Atomkraftwerke erneut verlängern, je nach Alter um acht bis 14 Jahre. Mehr nicht. Wer jetzt theatralisch von einem „Anschlag auf die Demokratie“ spricht, den Plan als „ethisch keinesfalls vertretbar“ geißelt, der Regierung einen „Pro-Atomkurs“ unterstellt und von einem „Ausstieg aus dem Ausstieg“ redet, hat etwas Wesentliches nicht verstanden. Es geht in Deutschland längst nicht mehr um ein Pro oder Contra Atomkraft. Der Ausstieg ist beschlossen. Auch Schwarz-Gelb will keine neuen Atomkraftwerke bauen lassen. Die Kernenergie sei allenfalls eine „Brückentechnologie“, heißt es. Die Zukunft liege in erneuerbaren Energieformen.

Mögen andere Länder, ob aus Klimaschutzgründen oder Energieversorgungsnotwendigkeit, wieder verstärkt auf Atomkraft setzen – der Generaldirektor der Atomenergie-Organisation (IAEO), Yukiya Amano, diagnostiziert eine weltweit wachsende Akzeptanz und prognostiziert eine Verdoppelung der nuklearen Kraftwerkskapazität bis 2030 –, Deutschland macht diesen Trend definitiv nicht mit. Hier verläuft die entscheidende Trennlinie zwischen moderaten Atomkraftgegnern (Rot-Rot-Grün) und noch moderateren Atomkraftgegnern (Schwarz-Gelb). Warum aber das Gau-Risiko 20 Jahre lang erträglich und die ungelöste Endlagerfrage 20 Jahre lang unbedenklich sein soll, aber bei 30 Jahren Laufzeit das Gegenteil gilt: Das müssen die Trittins dieses Landes erst noch erklären.

So unangebracht wie die Warnungen vor der Apokalypse sind allerdings auch die Selbstbeweihräucherungen der Regierung. Angela Merkel spricht von „Revolution“, Umweltminister Norbert Röttgen meint „sensationell“, die FDP findet die Laufzeitverlängerung „epochal“, und die CSU jubelt über den „Quantensprung“. Geht’s nicht ’ne Nummer kleiner? Die Brennelementesteuer soll schlicht das Staatssäckel füllen, ein Teil der Zusatzgewinne der Atomindustrie dem Ausbau von Öko-Energie dienen. Das ist alles. In der Integrationsdebatte wurde der jüngst sehr schrill gewordene Ton moniert. Auch in der Energiedebatte kann etwas mehr Maß nicht schaden.

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