zum Hauptinhalt

Meinung: Atomkraft: Störfall für den Konsens

Innehalten heißt das Gebot der Stunde nach dem Vorfall im Atomkraftwerk Philippsburg. Die Verantwortlichen müssen noch einmal intensiv über die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke reden.

Innehalten heißt das Gebot der Stunde nach dem Vorfall im Atomkraftwerk Philippsburg. Die Verantwortlichen müssen noch einmal intensiv über die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke reden. Die Nachlässigkeit, mit der im Südwesten offenkundig Sicherheitssysteme kontrolliert werden, hätten die meisten bis dato allenfalls schlecht bezahlten russischen Technikern in Meilern auf technisch fragwürdigem Stand zugetraut. Diesmal aber geht es um Personal mitten in Deutschland.

Seit dem 11. September redet die Welt über äußere Bedrohungen und innere Sicherheit. Gesetze werden verschärft, um den Menschen ihre Angst zu nehmen. Wir alle sollen das Gefühl haben, weiter in einem sicheren Land zu leben. Es wird darüber gesprochen, die Bundeswehr zum Schutz im Innern einzusetzen. Patrouillen vor Atomkraftwerken, falls Terroristen angreifen sollten? Denken wir das Szenario von Philippsburg einmal zu Ende, wäre der Soldat davor möglicherweise einer der ersten, dem nicht mehr zu helfen wäre. Das mag zynisch klingen. Aber die Gemütslage von Teilen des Personals zwingt zum Nachdenken. Und zum Reden.

Diese Debatte wollte keiner. Die Grünen schon gar nicht. Nachdem der Atomkonsens unter allzu hörbaren Mühen zustande gebracht war, sollte bitte keiner mehr daran herummäkeln. Nur nicht an das komplizierte Paket rühren. Denn bei neuen Verhandlungen könnte einem der ganze Kompromiss um die Ohren fliegen. Diese Furcht führender Grüner ist wohl nicht ganz unberechtigt. Falls der Konsens noch einmal komplett in Frage gestellt würde, rechnete wohl mancher Betreiber mit noch längeren Übergangsfristen. Die Diskussionslage der vergangenen Monate dürfte ihn darin bestärkt haben. Vielleicht glaubt das mancher trotz des 11. September immer noch. Wie hoch soll denn das Risiko sein, dass ein Terrosist ein deutsches Akw ins Visier nimmt? Jeder kann sich nur zu leicht die höhnischen Fragen vorstellen. Die, wohl wahr, niemand mit Gewissheit beantworten kann. Davor haben wohl auch die Grünen Angst. Die neu angestoßene Atomdebatte angesichts des aufkeimenden Unwohlseins in der Bevölkerung wollten sie darum am allerwenigsten führen. Ganz am Rande streifte Fraktionschef Schlauch das Thema dieser Tage. Umweltminister Trittin, der vormals als anti-atom-besessen galt, lehnte gleich rundheraus Neuverhandlungen ab.

Ganz ohne Hintergedanken wird das wohl nicht geschehen sein. Nur geht es jetzt nicht mehr allein um eine von geschickten Strategen Richtung Null zu diskutierende Gefahr von außen. Die Gefahr lauert auch im Innern. Wenn Sicherheitschecks nicht nach Vorschrift erfolgen. Wenn sich niemand etwas dabei denkt, wenn ein Leck am Sicherheitssystem gefunden wird. Wenn niemand auf den Gedanken kommt, Parallelsysteme sofort zu prüfen, stellt sich doch die Frage, welche Philosophie hinter solchem Handeln steckt. Eine Gedankenwelt des "Es wird schon gut gehen", des "Wir haben alles im Griff"? Weil wir uns die riskante Energie inzwischen so sicher geredet haben? Das Gefühl drängt sich auch nach den ersten Äußerungen der Betreiber auf: Da war gar nichts. Und mancher Bürger wird irritiert registrieren, dass er eigentlich dachte, das Problem sei mit dem Atomkonsens doch längst gelöst.

Nun können dickere Decken für die Zwischenlager vielleicht Schutz von außen bieten. Doch was ist mit der inneren Sicherheit der Meiler? Offensichtlich gehörte auch das Personal überprüft. Nur: Was hilf es, wenn Personal im Zweifel die Vorschriften ignoriert? Ein Sicherheitsproblem. Ein altes.

Zur Startseite