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Nach einer Explosion im Atomkraftwerk Fukushima wird weiter befürchtet, dass der Reaktorkern in der schwer beschädigten Anlage schmelzen könnte.

© Reuters

Atomunfall in Japan: Drama nach dem Drama

Das Tragische an dem Atomunfall in Fukushima ist, dass auf die Naturkatastrophe auch noch eine menschengemachte Krise folgt. Der Unfall zeigt, dass es unmöglich ist, sich auf jede Art von Notfall vorzubereiten. Ein Kommentar.

Als ob ein gewaltiges Erdbeben und ein Tsunami nicht schlimm genug wären, muss Japan danach auch noch mit einer Atomkatastrophe rechnen. Ausgerechnet in dem Land, das nach den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki wie kein anderes unter den Folgen der Radioaktivität hat leiden müssen. Beim Stichwort Kernschmelze läuten alle Alarmglocken. Vor fast genau 25 Jahren ist in Tschernobyl ein Atomkraftwerk explodiert. Damals hat eine Kernschmelze stattgefunden. Das ist das schlimmstmögliche Szenario, das am Samstagnachmittag in Japan unmittelbar bevorzustehen schien. Mit einer gewaltigen Explosion flog das zum havarierten Atomkraftwerk gehörende Maschinenhaus in die Luft. Stundenlang war unklar, ob Reaktordruckbehälter und Betonhülle noch intakt waren oder nicht.

Im Verlauf des Tages zeichnete sich ab, dass tatsächlich eine Kernschmelze im Gang war. Aber es könnte den japanischen Technikern gelungen sein, die ganz große Katastrophe noch zu verhindern. Offenbar haben sie damit begonnen, den Siedewasserreaktor mit Meerwasser, das mit Borsäure versetzt wurde, zu fluten. Das könnte die notwendige Kühlung bringen und den Reaktor in einen unkritischen Zustand versetzen. Das entspricht in etwa dem, was 1979 in Three Miles Island in Harrisburg passiert ist. Auch in dem amerikanischen Atomkraftwerk hatte die Kernschmelze begonnen und nach Tagen des Bangens gelang es den Betreibern, den Prozess aufzuhalten. Wenn dem so wäre, dann wäre der radioaktive Wasserdampf, den die Betreiber bei mehreren Atomkraftwerken abgelassen haben, womöglich das Schlimmste gewesen. Wenn es denn klappen sollte.

Das Tragische an dem Atomunfall in Fukushima ist, dass auf die Naturkatastrophe auch noch eine menschengemachte Krise folgte. Japan hat sich schon in den späten vierziger Jahren entschieden, auf Atomenergie zu setzen – trotz der Erdbebengefahr. Die erste Generation von Meilern ist längst abgeschaltet. Und auch das nun havarierte Kraftwerk Fukushima Daiichi 1 hätte in wenigen Wochen stillgelegt werden sollen. Die Anlage ging 1971 in Betrieb. Sie gehört noch in die Epoche des atomaren Aufbruchs. Kernkraft galt als Lösung aller Energieprobleme. Fukushima I und II sind der größte Atomkomplex in Japan. Insgesamt zehn Meiler stehen dort in unmittelbarer Nähe zueinander. Das ist einerseits ökonomisch, und im Erdbebengebiet liegen alle 55 japanischen Atomkraftwerke. Andererseits könnte genau das zu einem Albtraum ganz neuer Dimension führen. Denn auch bei den Nachbaranlagen des havarierten Reaktors gab es Probleme mit der Kühlung. Doch scheint dort die Stromversorgung schneller wiederhergestellt worden zu sein. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Stromversorgung für alle drei schnell abgeschalteten Atomkraftwerke gleichzeitig ausgefallen wäre.

Der Unfall in Japan zeigt jedenfalls zweierlei: Es gibt im Umgang mit der Atomenergie keine absolute Sicherheit. Und es ist unmöglich, sich auf jede Art von Notfall vorzubereiten. Eine vollständige Kernschmelze würde ein dichtbesiedeltes Gebiet in Japan auf Jahrzehnte unbewohnbar machen. Zunächst müssen die Folgen des Erdbebens, des Tsunamis und des Atomunfalls halbwegs bewältigt werden. Doch schon bald werden sich wohl auch in Japan viele Menschen fragen, ob sie dieses Risiko wirklich weiter tragen wollen.

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