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Meinung: Auch Weise können irren

Als ob der Kanzler in diesen Tagen nicht genug Ärger hätte. Nun malen die fünf Weisen in ihrem Gutachten die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands noch düsterer als die Bundesregierung.

Als ob der Kanzler in diesen Tagen nicht genug Ärger hätte. Nun malen die fünf Weisen in ihrem Gutachten die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands noch düsterer als die Bundesregierung. Im Wahljahr 2002 sollte es nach den Regierungsprognosen wieder spürbar aufwärts gehen mit dem Wachstum. Statt der erhofften 1,25 Prozent sehen die Weisen allenfalls 0,7 Prozent und schließen selbst eine Rezession nicht aus. Die Wachstumsschwäche lasse sich auch mit einem Erfolg an der Terrorfront nicht beseitigen. Vielfältige strukturelle Schwächen müssten behoben werden, bevor es wieder aufwärts gehen könne. Damit öffnet sich für die Regierung neben der Terrorfront nun eine zweite: Der Kampf gegen den drohenden Abschwung.

Wie kann Gerhard Schröder auf die neuen noch schwärzeren Aussichten reagieren? Er kann, wie früher, die Prognosen anzweifeln. Tatsächlich hat die Zunft der Seher in den vergangenen Monaten ihre Voraussagen ständig revidiert. Auch der Sachverständigenrat hat im November 2000 noch von einer "guten konjunkturellen Entwicklung der Weltwirtschaft" gesprochen und Deutschland für 2001 ein Wachstum von 2,8 Prozent prognostiziert. Davon sind jetzt nur noch 0,6 Prozent geblieben.

Da ist schon Vertrauen verspielt, auch wenn jeder sieht, dass die zusätzlichen Wirkungen der BSE-Krise, der Ölpreisentwicklung oder der Ereignisse seit September für noch so "Weise" einfach nicht voraussehbar waren. Auch jetzt können sie wieder falsch liegen. Der Aufschwung kann schneller als erwartet eintreten. Fast immer haben die Konjunkturforscher die Wendepunkte zu spät erkannt. Oder er kann bei neuen Terroranschlägen oder kräftigen Beben im Weltfinanzsystem noch weiter in die Ferne rücken.

Abwarten wäre fatal

Statt zu warten, ob die Wirtschaft tatsächlich einbricht, wäre es richtiger, etwas dagegen zu tun. Nur was? Seit Antritt der Regierung Schröder liegen dieselben Vorschläge auf dem Tisch, die der Sachverständigenrat erneut anmahnt: die überfälligen Strukturreformen, eine kräftige Steuerentlastung und vor allem die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte. "Hier sei", schreiben die fünf Weisen, "von Seiten der Politik auch in diesem Jahr zu wenig geschehen".

Auch wenn die Regierung Schröder hier endlich Einsicht zeigte, es würde kurzfristig kaum den Wachstumsschub auslösen, den die deutsche Wirtschaft braucht. Was kann dann noch Wirkung zeigen, wenn die Sachverständigen gleichzeitig vor einem Konjunkturprogramm und dem Vorziehen der Steuerreform warnen? Nur für den Fall, dass die Konjunktur in einem Quartal real um weniger als 0,75 Prozent wachse, empfehlen sie "als vertrauensbildende Maßnahme" eine zeitweilige Verminderung der Einkommenssteuer um zehn Prozent.

Das allerdings klingt wenig überzeugend. Ihre Jahresprognose liegt unter diesem Wert. Und eine nachhaltige Entlastung durch vorgezogene Steuerreformschritte würde viel mehr Vertrauen bilden. Nur vorübergehende Steuergeschenke sind in ihrer Wirkung zweifelhaft. Von den 40 Milliarden Dollar, die der amerikanische Präsident als Steuerschecks an die Bürger verteilen ließ, sind erst 18 Prozent in den Konsum gegangen. Deshalb bleiben der Regierung jetzt nur zwei Möglichkeiten, um die Konjunktur zu drehen: die nächsten Stufen der Steuerreform doch vorzuziehen und gezielte öffentliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und den Stadtumbau zu tätigen. Um eine höhere Verschuldung kommt sie angesichts der geringeren Steuereinnahmen sowieso nicht herum. Aber es ist zu befürchten, dass die langwierigen Streitereien um den richtigen Mittteleinsatz - wie in Afghanistan - dazu führen, dass man einfach zu spät kommt. An der Terrorfront zu spät zur Siegesfeier, an der Wirtschaftsfront zur Kapitulation.

Heik Afheldt

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