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Meinung: Auf dem Karussell

Stoiber, Merz und Seehofer: Wer wird was in Merkels Kabinett?

Von Robert Birnbaum

Seit im Politikerviertel um den Reichstag der Regierungswechsel in der Luft liegt, kann, wer gute Ohren hat, unter allem Lärm ein leises Quietschen vernehmen. Es stammt von der Achse des Personalkarussells von CDU und CSU. In sieben mageren Oppositionsjahren etwas eingerostet, nimmt das Gerät gerade wieder Schwung auf. Aber so richtig rund läuft es noch nicht; deshalb das Quietschen.

Der mangelnde Rundlauf hat ein paar allgemeine und ein paar spezielle Ursachen. In die allgemeine Kategorie fällt die Tatsache, dass das Gedränge doch recht groß ist. Und es wird, je näher der Wahltag rückt, bestimmt nicht kleiner werden. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang, dass der zeitweise abgetauchte Friedrich Merz wieder in Polit-Talkshows zu sehen ist. Noch bemerkenswerter, dass Merz den CSU-Chef Edmund Stoiber drängt, er solle sagen, ob er Superminister für Wirtschaft und Finanzen werden wolle. Die Besetzung dieses Amtes sei schließlich von zentraler Bedeutung. „Für die Wähler“, hat Merz gesagt, aber man tritt ihm kaum zu nahe, wenn man ihm den stillschweigenden Nachsatz unterstellt „und für mich auch“. Merz will wieder in den Bundestag. Er will gestalten, wie jeder Politiker, der sich selbst ernst nimmt. Also muss er mindestens mal wieder mit einer Hand eine Stange des Karussells ergreifen, von dem er voriges Jahr so schwungvoll abgesprungen ist.

Ob daraus mehr wird als ein paar Runden Mitfahrgelegenheit im Wahlkampf, ist aber höchst fraglich. Merz ist ein sehr guter Finanzpolitiker, ein exzellenter Redner, ein bundesweit bekannter Mann. Auf ihn angewiesen wäre eine Kanzlerin Angela Merkel trotzdem nicht. Und Merkels Neigung, wahre Größe durch Großmut zu beweisen, dürfte angesichts der Vorgeschichte so gering ausgeprägt sein wie im Fall von Horst Seehofer – wobei bei Seehofer weniger persönliche Unverträglichkeit als die inhaltlichen Differenzen den Ausschlag geben.

Außerdem ist der Posten ja auch gar nicht vakant, solange sich Stoiber nicht festlegen mag. Er beansprucht vielmehr gerade dadurch virtuell überreichlich Platz auf dem Karussell – die Hauptursache für das Rumeiern und Gequietsche. Stoiber kommt als Superminister in verschiedenen Zuschnitten in Frage, vom Außenministerium wird gemunkelt – kurz, solange sogar unklar ist, ob er nach Berlin geht oder nicht, kann ein Schattenkabinett Merkel nicht einmal schattenhaft Gestalt annehmen.

Eben darum glaubt kaum einer, dass der Bayer seine Beckenbaueriade nach dem Motto „Schaun mer mal“ bis zum Wahltag durchhalten kann. Der Punkt ist absehbar, an dem das taktisch ja sogar nachvollziehbare Zögern sich zum Schwachpunkt in der Wahlkampagne entwickelt. Es gibt nämlich in Wahrheit keinen Grund für Stoiber, in München zu bleiben – die öffentlich verbreitete Idee, dass der bayerische Ministerpräsident ja die anderen Unionsländerchefs koordinieren könnte, ist auf gut bayerisch ein Schmarrn. Ein solcher Job ist überflüssig – und Merkel hat genug von Helmut Kohl gelernt, um zu wissen, dass in kluger Abstimmung mit den Ländern ein guter Teil ihrer politischen Lebensversicherung liegen wird. Wenn es zum Konflikt kommt, muss sie den eh selbst durchstehen.

Stoiber also, sagen wir das mal mäßig kühn voraus, wird nach Berlin kommen. Entweder als Super- oder als Außenminister. Dass in letzterem Fall dann aber der Koalitionspartner FDP mindestens das Finanzressort beanspruchen würde als Kompensation für den Verzicht auf den historisch angestammten Prestigeposten – davon darf man ausgehen. Schlechte Karten also für jemand wie Friedrich Merz auch von dieser Seite. Man kann das schade finden. Aber das ändert auch nichts.

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