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Jost Müller-Neuhof

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Alles online

Jost Müller-Neuhof über Neues im Fall Tauss

Die Morgengabe der Kollegen aus den bunten Blättern hatte es mal wieder in sich: Jörg Tauss, der neue Mann in der Piratenpartei und geständige Kinderpornobesitzer steht kurz vor der Anklage. Die Karlsruher Staatsanwaltschaft will ihm einfach nicht glauben, dass der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete nur einen Verbrecherring hatte sprengen wollen. Also bestätigt sie der Zeitung mit den vier großen Buchstaben exklusiv, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien. "Soziale Exekution", tönt es sogleich aus dem Tauss-Lager. Unschuldsvermutung! Miese Tricks! Alles Kampagne!

Das ist der Stil des Parlamentshaudraufs Tauss, der mit seinem donnernden Bass nie durch besondere Umsicht und Abgewogenheit aufgefallen war. Im Gegenteil, im Anklagen war er immer ganz gut. Nun hat sich die Reichstagskuppel wie ein Glashaus auf ihn herabgesenkt, und er wirft noch immer mit Steinen. Statt einfach mal seinen Rechner herunterzufahren und eine Weile Einkehr zu halten, postet der Internetdesperado seitenweise peinliche Stellungnahmen zu seinem Fall, inszeniert seinen Parteiübertritt als politische Herkulestat und sich selbst als Bannerträger der Netzavantgarde. Und überzieht Strafverfolger mit Vorwürfen.

Die Karlsruher Strafverfolger stehen dabei nicht ganz zu Unrecht in der Kritik, haben sie sich doch auf ein öffentliches Ping-Pong-Spiel mit dem Beschuldigten eingelassen. Vielleicht hätten sie auch gut daran getan, auf die Anfrage eines Journalisten zum Verfahrensstand einfach mal zu schweigen. Man könnte ja warten, bis es tatsächlich zur Anklageerhebung kommt. Andererseits muss man nicht auch immer zwingend böse Absichten vermuten. In den gesamten Vorgang involviert ist schließlich auch der Immunitätsausschuss des Bundestags, der bekanntlich kein Intimitätsausschuss ist. Kaum hatte man seinerzeit die Hausdurchsuchung bei Tauss erlaubt, da war die Nachricht schon online, noch während die Polizisten an Taussens Pornokoffer fingerten. Das war auch nicht schön. Und schließlich: Könnten nicht auch Tauss' Anwalt und sein Mandant ein Interesse daran haben, dass lieber über behördliche Taktlosigkeiten geredet wird als über die Vorwürfe?

Wir wissen es nicht, also richten wir nicht. Tauss ist strafrechtlich unschuldig bis zu einem Urteil. Gut möglich, das er mit seiner Meinung, Parlamentarier dürften zu Studienzwecken Kinderpornos sammeln, bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen will. Der Oberpirat setzt die Segel und nimmt Kurs auf das Gewittertief Zensursula. Wer klug ist, bleibt im Hafen und schaut von der Küste aus zu.

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