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Werner van Bebber

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Die Mode-Antifa

Werner van Bebber über die wechselnden Kleidungsverbote bei der Berliner Polizei

So zeigt man seinen Untergebenen, was man von ihnen hält. Wie pubertierende Jungs mussten sich die Berliner Polizisten von ihrem Chef darüber belehren lassen, dass man als Ordnungshüter keine Hemden der Rechten-Marke "Thor Steinar" tragen darf. Ob es viele gab, die diese Belehrung brauchten?

Polizeipräsident Dieter Glietsch hat eine politisch korrekte Kleiderordnung erlassen - und man fragt sich, was er damit erreichen will. Ein einziger Polizist ist öffentlich aufgefallen, weil er ein Hemd der inkriminierten Modemarke "Thor Steinar" getragen hat. Begründet das den Aufwand, den Glietschs Modeexperten treiben mussten, um eine ganze Liste mit Markensachen zusammenzustellen, die polizeipolitisch nicht korrekt sind?

Die Liste - die noch dazu wegen sachlicher Unkorrektheiten nach kurzer Zeit überarbeitet werden musste - hätte nur dann Sinn, wenn sich in der Berliner Polizei ein rechter Korpsgeist ausgebreitet hätte, der dringend bekämpft werden muss - nicht nur, aber auch symbolpolitisch. Nichts, aber auch gar nichts spricht dafür, dass das so ist.

Stattdessen hat Glietsch mit seiner Kleiderordnung einen der üblichen Effekte erzielt, die sich immer einstellen, wenn einer politisch überkorrekt sein will: Wer - außer ein paar Symbol-Fetischisten - hat sich denn bis zu diesem Markensachen-Erlass wirklich damit befasst, was Namen wie "ACAB" oder "Rizist" bedeuten? Nur ein paar Leute, die mit ihren Hemden oder Schuhen meinen provozieren zu können, wussten das bis jetzt. Durch die polizeiliche Böse-Marken-Liste haben die Hersteller rechter Symbolbekleidung mehr Aufmerksamkeit denn je.

Und geht es nicht genau darum: um Aufmerksamkeit für ein verdruckstes, halb feige, halb öffentliches Provozieren mit Symbolen? Kein rechter Jungmann, der sich unter Seinesgleichen als Geistlos-Verwandter zu erkennen geben will, hat sich je von Überlegungen zur politischen Korrektheit vom Kauf irgendwelcher "Consdaple"-Klamotten abhalten lassen.

Doch könnte Glietsch, wenn er seine Kleiderordnung nicht relativiert, noch etwas anderes erreichen: Zivil-Ermittlern wird die Tarnung bei Ermittlungen in der Szene noch schwerer fallen, wenn sie sich nicht optisch ihren Erkenntnisobjekten anpassen dürfen. Wird Polizeichef Glietsch demnächst auch noch Kapuzenjacken verbieten, damit niemand auf die Idee kommt, bei der nächsten Antifa- oder 1.-Mai-Demo liefen linksextremistische Polizisten im Schwarzen Block mit?

Derweil sehen die Oberrechten von der NPD bieder wie die Anlageberater großer Banken aus, korrekt mit Jackett und Krawatte, ganz ohne böse Symbole an der Kleidung. Die wissen, dass man Politik nicht mit Kleidervorschriften macht.

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