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Werner van Bebber

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Die Raubtier-Anarchisten

Werner van Bebber über die Krawalle in Berlin-Friedrichshain

Manchmal, selten, ist ein Kinofilm weiter als die Wirklichkeit. Der Film "Die fetten Jahre sind vorbei" war so einer: politisch aufgeladen, idealistisch. Und mit Sinn für den gefährlichen Grenzbereich, in dem aus kleinkriminellen Aktivitäten gegen reiche Leute Gewalt gegen Menschen wird. In Berlin gibt es noch immer eine breite Anarcho-Szene. Die aber kann es an Fantasie mit diesem Jahre alten Film nicht aufnehmen - nicht ansatzweise.

Die Kiezmilizionäre, die in Friedrichshain am Wochenende Autos abgefackelt und ein paar Lokale angegriffen haben, suchen sich die Opfer ihrer Attacken willkürlich aus. Schon das zeigt, dass ihre Angriffe nichts anderes sind als Aktionen aus persönlichem Frust. Sie begründen ihre Angriffe mit dem Kampf gegen die "Gentrifizierung" - die Aufwertung bestimmter Stadtteile durch Geld, wohlhabende Mieter, die in Szenevierteln leben wollen, durch Investoren. Dagegen hilft, so sehen es die Kiez-Randalierer, nur Gewalt - wenn sie gerade passt.

Tatsächlich ist die Gentrifizierung ein Phänomen, mit dem sich viele, die ihr Geld ehrlich verdienen, nicht einfach abfinden können und wollen. Kreuzberg zum Beispiel verändere sich zum Unguten, sagen Leute, die die Kreuzberger Atmosphäre prägen und einschätzen können. Man kann verstehen, dass gerade die Leute, die die Szenebezirke erst zu solchen gemacht haben, von den Schriftstellern und Musikern bis zu ambitionierten Nachtleben-Gestaltern, im Hinblick auf ihre Wohnsituation konservativ sind. Sie haben dafür in der Politik dieser Stadt keine Lobby.

Die tumbe Randale vom Wochenende wird daran nichts ändern. Die Leute, die die Entwicklung der Szenegegenden mit Gewalt anhalten wollen, erreichen mit Buttersäure- und Abfackel-Attacken - nur eins: dass ein politisches Thema zur Sache der Polizei und des Staatsschutzes wird.

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