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Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Du bist so heiß wie ein Vulkan

Malte Lehming über die Lehren aus Europas Ausnahmezustand

Tausende Termine platzen. Urlaubsreisen fallen aus. Die Exportwirtschaft darbt. Dramen, Tragödien, Schicksale: Die Vulkanaschewolke aus Island greift tiefer in den Alltag vieler Europäer ein, als sie es je von einer Naturkatastrophe kannten. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Die Eruption des Eyjafjöll dauert an. Vielleicht bis nächsten Mittwoch, vielleicht noch länger. Keiner weiß es.

Kanzlerin und Verteidigungsminister nähern sich der Heimat auf Umwegen. Das DSDS-Finale findet ohne Jurorin statt. Der polnische Protokollchef ist womöglich kurz vor einer Panikattacke, weil er immer noch nicht weiß, welche Staatschefs zur Beisetzung von Lech Kaczynski kommen. Plötzlich wächst die spießige Sehnsucht nach Normalität, Berechenbarkeit, Planbarkeit, Übersichtlichkeit. Kurzes Chaos ist aufregend, langes Chaos nur anstrengend.

In solchen Momenten höherer Gewalt scheiden sich die Menschen. Jede Katastrophe offenbart ein Stück Identität. Da gibt es jene, die zornig, trotzig oder traurig werden, nach Haftbarkeit und Entschädigung verlangen, sich in sinnloser Rationalisierung versuchen (der Klimawandel! das Jüngste Gericht!), mit ihrem Schicksal hadern und es alle Welt wissen lassen. Das sind die, die jede Katastrophe durch ihr Verhalten verschärfen. Und es gibt jene, die plötzlich erstaunlich gelassen sind, mit Flexibilität und Fantasie immer neue Improvisationslösungen schaffen. Das sind die, die Katastrophen durch ihr Verhalten entschärfen.

Nie war mäkeliges Lamentieren unangebrachter als jetzt. Nie war es lächerlicher, sich über sein Schicksal aufzuregen. Aber genau das stimmt nicht. Eyjafjöll lehrt vor allem, wie wir immer sein sollten.

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