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Ingrid Müller

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: "Für Deutschland gefallen"?

Ingrid Müller über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr

Es sind Worte, die an Gefühle rühren, die wir nicht mögen. Gefühle, die wir nicht an uns heranlassen möchten. Weil sie uns Angst machen. Der 29-jährige Hauptfeldwebel, der vor wenigen Tagen bei Kundus in Afghanistan gestorben ist, sei nicht ums Leben gekommen, sondern "für die Bundesrepublik Deutschland gefallen", sagt Bundeswehrverbandschef Gertz. Hören wir das Wort gefallen, ist er da: der Krieg. Nur im Krieg fällt jemand. Krieg ist die ganz große Bedrohung, die ganz große Gewalt. Schnell schaltet das Hirn weiter zu Pickelhaube, Vaterland, Naziland. Damit sind wir Deutschen noch lange nicht fertig. Und so führen wir im Moment einen Kampf der Worte.

Im selben Moment kämpfen Deutsche einen ganz realen Kampf. Und darin sterben Deutsche. Das Leben aber hat jeder nur einmal. Wer es einsetzt - und das tun die Soldaten in Afghanistan - möchte dies nicht "mal eben so" machen. Die, die in diesen Kampf geschickt werden, möchten wissen, dass sie es für mehr tun als die 92 Euro am Tag, die sie als Zuschlag für den gefährlichen Auftrag bekommen. Auch die Angehörigen möchten wissen, dass ihre Töchter oder Söhne nicht "umsonst" gestorben sind.

Natürlich ist es ein Zeichen, wenn der Verteidigungsminister zur Beisetzung und an den Ort des Todes reist. Aber auch Worte und bleibende Gesten zählen. Worte? Ehrliche Worte. Worte, die deutlich machen, dass die obersten Dienstherren der Soldaten und verantwortlichen Politiker nicht nur wissen, dass sich die Bundeswehr in einem Krieg befindet. Denn das tun sie. Einen Krieg, den die Soldaten stellvertretend für Deutsche hierzulande führen. Damit die zu Hause in Ruhe leben können. Damit der Terror sich nicht erst dort und später hier ausbreitet - zum Beispiel als todbringende Bombe am Berliner Hauptbahnhof.

Das heißt, die Deutschen, ihre Politiker müssen endlich den Mut aufbringen, klar zu sagen, an was die deutschen Soldaten in Afghanistan beteiligt sind: an einem Krieg. Das heißt auch, dass die Kanzlerin das sagen sollte. Es geht um die grundsätzliche Haltung. Es ist kein Krieg, um Beute zu machen, kein Krieg, um das Territorium zu erweitern. Es ist ein Krieg, um Frieden zu erreichen und einen größeren Krieg zu verhindern. Warum wird mit Blick auf das, was in Afghanistan gemacht wird, bis heute ein Verteidigungsminister zitiert, der seit Jahren andere Aufgaben hat: Peter Struck mit seinem Satz: Deutschland wird am Hindukusch verteidigt?

Etwas für Deutschland zu tun, klingt groß, klingt mächtig, klingt übermächtig. Vielleicht wäre es leichter, die Soldaten würden etwas für die anderen Deutschen, die anderen Europäer tun? Für andere Menschen. Das bringt nicht so dickes Pathos, mit dem so viele doch so schlecht umgehen können und ist doch etwas sehr Großes. Niemand kann ausrechnen oder festlegen, was ein Menschenleben Wert ist. Aber man kann die Gefühle der Wertschätzung in Symbole fassen. In nachhaltige Gesten. In ihren Camps haben die Soldaten längst Ehrenmale für "unsere toten Kameraden". Die, die ihr Leben gegeben haben, sollen nicht vergessen werden.

Die Diskussion müssen die Deutschen offen führen: Was ist angemessen, um nicht zu vergessen, dass einige den anderen diesen besonderen Dienst erweisen? Wie können die, denen das erspart bleibt, die anderen wertschätzen? Muss das ein Orden sein? Muss das ein Denkmal sein? Darüber lohnt sich eine Diskussion. Mit den Menschen: den Soldaten, den Angehörigen, denen, die nicht gehen, denen, die politische Verantwortung tragen, denen, die Leid in Kriegen erfahren haben. Mit allen, die dazu etwas zu sagen haben. Mit Respekt geführt. Denn bei all dem geht es um große Gefühle. Es ist ein Kampf der Gefühle. Die können leicht verletzt werden. Auch das kann tiefe Wunden reißen. Aber wegen der Gefühle am besten gar nicht darüber zu reden, ist die allerschlechteste Idee.

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