zum Hauptinhalt
Gerd Nowakowski

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Kaputte Gesprächskultur

Gerd Nowakowski über Klaus Wowereits Niederlage

Gutes Timing geht anders. Die von Klaus Wowereit selbst so empfundene Ohrfeige in Berlin war nun alles andere als eine Empfehlung für seine heutige Kandidatur als stellvertretender Bundesparteivorsitzender der SPD. Sieht so ein sozialdemokratischer Hoffnungsträger aus, der in Berlin seit 2001 im rot-roten Bündnis die Linkspartei mit fester Hand bändigt? Nun gelingt es dem Regierenden Bürgermeister nicht einmal, die Mehrheit bei einer ansonsten wohl eher routinemäßigen Postenbesetzung zusammenzuhalten.

Es könnte sein, dass diese Niederlage einst als Beginn eines Machtwechsels in Berlin gewertet werden wird. Es sind die kleinen Dinge, die den schleichenden Verfall einer Koalition markieren. Zur Niederlage von Klaus Wowereit hat beigetragen, dass er sich seit geraumer Zeit erkennbar mehr auf die bundespolitische Ebene als auf die Stimmungslage in Berlin und seiner eigenen Fraktion konzentrierte. Die Nominierung von Hella Dunger-Löper, die als Rechnungshofpräsidentin eventuell über ihre eigenen, durchaus kritikbehafteten Entscheidungen als Staatssekretärin hätte urteilen müssen, war nicht nur unsensibel. Es schwang dabei eine überhebliche Geringschätzung des Parlaments mit, an einer Kandidatin gegen alle Kritik festzuhalten, nur weil Wowereit sich im Wort bei den SPD-Frauen fühlte.

Wenn zwei Parlamentarier - mutmaßlich der SPD-Fraktion - sich verweigern, spricht einiges dafür, dass Wowereit und Fraktionschef Michael Müller das Gespür für die Stimmungslage verloren haben. Die Gesprächskultur ist offenbar so kaputt, dass sich Kritiker nicht einmal mehr zu Wort melden. Klaus Wowereit wird daran denken, dass er zu Beginn seiner zweiten Amtsperiode 2006 zwei Wahlgänge benötigte, weil dort ebenfalls Heckenschützen am Werk waren. Konsequenzen hat er daraus nicht gezogen.

Das S-Bahn-Chaos, bei dem Wowereit erst spät eingriff, die Schweinegrippe-Verwirrung, das Thema Auto-Brandstiftungen, das der Regierende Bürgermeister bislang dem Innensenator überließ - es haben viele Ereignisse zum Tiefpunkt der Sympathiewerte für Klaus Wowereit beigetragen. Bei der Bundestagswahl mit knapp 20 Prozent hinter der CDU und gleichauf hinter der Linkspartei - für Wowereit, der seinen bundespolitischen Ruf darauf gründet, dass er den Koalitionspartner einbindet und in Schach hält, ist das ein Desaster.

Nicht die SPD, es ist die Linke, die vom Bündnis profitiert und sich etwa mit Gemeinschaftsschule oder Arbeitsmarktprojekten beim Wähler profiliert. Die Abstimmungsniederlage macht die Opposition stark, verstärkt noch den Aufwärtstrend; dabei ist die Berliner Union immer noch dabei, erst wieder zu Kräften zu kommen. Wowereits Stärke ist geborgt, weil die Opposition noch ohne einen starken Herausforderer ist. Bis zur Wahl 2011 kann sich auch das noch ändern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false