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Moritz Schuller

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Möglichst nicht bewegen

Moritz Schuller zum Evolutionsvorteil des West-Berliners

Das alte Europa kehrt zurück. Jahrelang galt der entwurzelte Amerikaner als das Idealbild eines modernen Menschen: stets mobil und dem Ruf eines jeden Arbeitgebers folgend, beweglich und anpassungsfähig. Nur so, dachte man, sei Überleben in globalisierten Zeiten denkbar. Die Welt wird eins, und alle essen Sushi.

Nun geht dieser Bewegung der Treibstoff aus, das Reisen wird teurer, die Pendlerpauschale kehrt nicht zurück - und das moderne, entwurzelte Leben ist nicht mehr bezahlbar. Die Globalisierung ist längst zu einer Glokalisierung geworden, der kommunale Volksentscheid ersetzt immer häufiger die Vollversammlung der Vereinten Nationen, und auch die EU erträgt kaum noch mehr Wachstum. Wohl dem, der sein eigenes Gemüse anbaut.

Evolutionär befinden wir uns inzwischen an der Kippe zum immobilen Zeitalter. Nun hat der einen Vorteil, der gelernt hat, sich möglichst wenig zu bewegen: die Statiker des Lebens, die, die den Cowboys dieser Welt lieber die Tür aufhalten, als selbst herauszugehen. Die Teile der Welt sind zurückgeworfen auf sich selbst. Die Freude, mit der dieser Wandel vor allem in Deutschland aufgenommen, mit der die neue Askese gepriesen wird, macht deutlich, dass das alte Europa seine evolutionäre Chance erkannt hat. Nun kommt endlich die Zeit für jenes Deutschland, das noch nicht durch das Stahlbad der Reformen geführt worden und dessen Weltbild noch in Ordnung war. Wir stehen vor einer Rückkehr in die guten alten Zeiten, in denen wir uns auskennen. Die moderne Leitfigur ist der West-Berliner, der sich viel, aber auch gern sehr wenig bewegen konnte.

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