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Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Rot-Schwarz-Gold

Malte Lehming über die Deutschlandfahne der Tagesthemen

Beim Wort "Deutschlandfahne" drängen sich zwei Assoziationen auf: erstens schwarz-rot-gold, zweitens morgendlicher Biergeruch aus Männermündern. Denn spätestens seit dieser EM ist die Deutschlandfahne auch eine Geruchsrichtung. Die Sauffreiheit, so hat mal ein kluger Mensch bemerkt, sei eben die einzige Freiheit, die bei den Deutschen nie verkümmere. Doch zur sichtbaren Sache: Bei den Tagesthemen gab es einen "Patzer in der Flaggengestaltung", wie die ARD einräumt. Und weil die Flagge "eine ernste Angelegenheit" sei, "sind wir auch sehr zerknirscht".

Natürlich wird lang erklärt und bitter bereut, was das öffentlich-rechtliche Zeug hält. Aber wirklich verstehen tut man trotzdem nicht, warum die Farben der Deutschlandfahne bei einer Hintergrundillustration in falscher Reihenfolge gezeigt wurden. "Das gab es noch nie und eigentlich kann das auch gar nicht sein." Warum eigentlich? Vielleicht hat ein Mitarbeiter einfach nicht gewusst, wie die Deutschlandfahne aussieht? Doch Unkenntnis scheidet definitiv als Ursache aus: "Allein auf dem Parkplatz des NDR hängen schon viele (Deutschlandfahnen, d. Red.) an den Autos, ganz abgesehen davon, dass ganz Hamburg vor Flaggen flattert." "Vor Flaggen flattert", das ist hübsch, aber nicht auszudenken, wie es um die Deutschlandfahnenkenntnisse der Tagesthemen-Mitarbeiter ohne die EM bestellt wäre!

Was aber ist dann passiert? Irgendwelche Kollegen, heißt es verdruckst, hätten sich "auf der Maschine verdrückt". Bei späteren Wiederholungssendungen habe man den Fehler dann korrigiert. Die Originaltagesthemensendung findet sich also, wie andere Dokumente der Zeitgeschichte, nur noch bei YouTube, nicht aber im digitalen Online-Archiv der Tagesthemen. Demnächst wird ein Politiker, der sich falsch zitiert fühlt, ebenfalls eine korrigierte Version anmahnen. Nun ja.

Was aber die Behauptung anbelangt, die Fahne sei unabsichtlich verschwurbelt gezeigt worden, so hoffen wir, dass sie nicht stimmt. Wer immer den Film "Die letzte Festung" mit Robert Redford gesehen hat, weiß etwa um die tiefe Symbolik einer verkehrt herum gehissten Flagge. Ursprünglich war sie ein Kapitulationssignal aus dem Sezessionskrieg. Dann wandelte sich die Bedeutung. Der "United States Flag Code" regelt detailliert den Umgang mit der Flagge. In 4USC8 (a) heißt es: "Die Flagge darf offiziell nur dann verkehrt herum gehisst werden, wenn eine ernste Notlage einer Gruppe besteht, in anderen Fällen stellt dies eine Verunglimpfung dar." Nun befinden sich die deutschen Fußballer vor dem Spiel gegen die Türkei zweifellos in einer "ernsten Notlage". Insofern wäre eine verkehrt herum gezeigte Deutschlandfahne völlig korrekt gewesen. Doch selbst das Richtige können sie nur falsch machen.

Nun sind sie zerknirscht. Recht so. Statt für Weitsicht und Originalität einzutreten, bezichtigen sie sich selbst der Schlamperei. Das ist der wahre Skandal - und mit 7,3 Milliarden Euro Zwangsgebühren für die Öffentlich-Rechtlichen jährlich etwas zu teuer erkauft.

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