zum Hauptinhalt
Fabian Leber, Redakteur Meinung -

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Vergessen, verzeihen

Fabian Leber wünscht sich keine große Koalition zurück

Mehrwertsteuererhöhung, Abwrackprämie, Rente mit 67, Gesundheitsfonds: Ist das alles schon vergessen und verziehen? Jedenfalls lassen sich zwei aktuelle Umfragen so interpretieren. Nach dem ZDF-Politbarometer vom Freitag sehnen sich 41 Prozent der Deutschen nach der großen Koalition zurück. Nur 27 Prozent würden sich ein weiteres Mal Schwarz-Gelb wünschen. In einer Emnid-Erhebung aus der vergangenen Woche hatten 54 Prozent der Befragten angegeben, sie würden lieber wieder Union und SPD an der Macht sehen. Und sogar die unter unrühmlichen Umständen untergegangene Konstellation Rot-Grün stellt für 38 Prozent der Deutschen eine ernst zu nehmende Alternative dar.

Dass wir uns Ulla Schmidt, Heidi Wieczorek-Zeul und Franz-Josef Jung noch einmal zurückwünschen: Wer hätte das gedacht? Die große Koalition war ja nur aus Versehen und unter Zwang zustande gekommen - und wurde erst im Nachhinein zur „Koalition der neuen Möglichkeiten“ (Angela Merkel in ihrer ersten Regierungserklärung am 30. November 2005) verklärt. Unter ihren Möglichkeiten war sie jedoch vielfach geblieben. Erst unter dem Eindruck der Finanzkrise wurden Steuer- und Beitragszahler zaghaft entlastet, nachdem zuvor die Mehrwertsteuer erhöht - und Kapitalertrag- sowie Erbschaftsteuern gesenkt worden waren.

Das hohe Defizit von Schwarz-Gelb in diesem Jahr ist so gesehen nicht nur auf die Steuergeschenke für Hoteliers, sondern auch auf die Verhandlungslogik der großen Koalition zurückzuführen. Wenn eine Einigung zwischen den großen Volksparteien nur schwer zu erreichen war, dann wurden Konflikte im Zweifelsfall mit Geld des Steuerzahlers gelöst. Das war das Schmiermittel zwischen Union und SPD. Auch das ist ein Grund, warum Schwarz-Rot anders als Schwarz-Gelb im Rückblick als harmonisch agierendes Gespann erscheint. In Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs war genügend Geld vorhanden. Gespart jedenfalls wurde nicht.

Dem später hochgelobten Finanzminister Peer Steinbrück gelang es nicht, trotz Steuererhöhungen und anfangs guter Konjunktur, den Haushalt zu sanieren. Ähnliches passierte bei Hartz IV: Statt die inzwischen deutlich thematisierten Fehlanreize zu beseitigen, nach denen es für Hartz-IV-Empfänger attraktiv ist, nur einen Mini-Job anzunehmen, verlängerten Union und SPD die Bezugsdauer für ältere Arbeitslose - ein Coup, der Wähler in der Mitte beruhigen sollte, mit dem aber keine einzige Stelle mehr geschaffen wurde.

Zugegeben: Union und FDP geben derzeit als Paarung kein gutes Bild ab. Aber: Beide Parteien tun gut daran, sich für die Verteilungskämpfe, die nach der NRW-Wahl ausbrechen werden, schon jetzt in Stellung bringen. Anders als früher wird hier auch mit offenem Visier gekämpft. So gesehen befördert Schwarz-Gelb die Wiederherstellung politischer (Streit-)Kultur. Oder wie es Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung am 10. November 2009 ausdrückte: „Machen wir hierbei Fehler, dann sind sie kaum wieder gutzumachen. Machen wir es hierbei richtig, dann werden wir Deutschland zu neuer Stärke führen.“ Jedenfalls gibt es keinen Grund, ausgerechnet einem Bündnis von Union und SPD zu neuer Stärke zu verhelfen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false