zum Hauptinhalt
Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

SPD: Geklärte Schuldfrage

Malte Lehming über den Hamburger Parteitag und warum die SPD nicht gewinnen kann.

Der Parteitag der SPD hat die Wahrnehmung im Land etwas verschoben, man könnte auch sagen - getrübt. Plötzlich gilt Franz Müntefering als Neoliberaler und Oskar Lafontaine als Linksnormalo. Kein Wunder: 82 Prozent der Deutschen wollen, dass die Rente mit 67 wieder abgeschafft wird, zwei Drittel befürworten den Mindestlohn und 72 Prozent finden, die große Koalition müsse sich mehr für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Demnach könnte Kurt Beck, der Mann mit dem richtigen Riecher, tatsächlich auf dem richtigen Weg sein.

Oder auch nicht. Es war das Dilemma seiner Partei, dass der Aufschwung der letzten Monate und die drastische Verringerung der Arbeitslosenzahlen nicht etwa als später Erfolg der Agendapolitik Gerhard Schröders betrachtet wurde, sondern als Verdienst der Kanzlerin. Das muss die Sozialdemokraten kräftig gewurmt haben. Also ziehen sie die Gerechtigkeitskarte. Die soll endlich stechen. Doch pünktlich zum Vollzug der Rolle rückwärts kündigt sich zwar nicht der Abschwung, aber eine Wende an. Die Konjunkturprognose wurde zurückgeschraubt, der hohe Ölpreis und die US-Immobilienkrise lassen Düsteres ahnen.

Was also macht die Union? Sie wird sich in nächster Zeit als Getriebene darstellen, als ein Koalitionspartner, der in fatale Kompromisse hineingezwungen wird vom neuen Linksruck der SPD. Ständig wird sie davor warnen - in stummer Übereinstimung mit vielen prominenten Sozialdemokraten, die Becks Kurs nur aus taktischen, nicht aber inhaltlichen Erwägungen unterstützen -, dass eben dieser Kurs die Konjunktur gefährde. Mehr Sozialismus führe nun mal zu geringerem Wachstum, wird es heißen. Folglich ist die Union in einer Win-win-Situation: Wächst die Wirtschaft bis zu den nächsten Wahlen solide weiter, bleibt sie trotz der Beck'schen Wende beliebt. Schmiert die Wirtschaft ab, wird sie wegen der Beck'schen Wende gewählt.

Und die SPD? Egal, wie der Parteitag in Hamburg verläuft, wird sie so schnell nicht aus dem Tief kommen. Die Abgehängten und Frustrierten werden weiter das Original, Lafontaine, präferieren. Der gesetzte Studienrat leistet sich weiter die Grünen. Und der gemäßigte SPDler fühlt sich von Angela Merkel ohnehin nicht schlecht vertreten. Das nennt man dann eine Lose-lose-Situation.

Zur Startseite