zum Hauptinhalt

Meinung: Auf der richtigen Achse

Bushs zweite Amtszeit ist eine Chance – auch für das Problem Iran Von Wolfgang Schäuble

Präsident Bushs zweite Amtszeit ist eine Chance: Wir sollten uns nach Kräften bemühen, die atlantische Partnerschaft in Ordnung zu bringen. Die Amerikaner haben ihren Präsidenten eindrucksvoll wiedergewählt, ihm trauen sie mehrheitlich zu, in schwierigen Zeiten für ihre Sicherheit zu sorgen. Ohne verlässliche Partnerschaften ist das nicht möglich, das dürfte nach den Wirren der letzten Jahre allen klar sein. Washington musste erfahren, dass sich auch enge Freunde abwandten. In Europa führte der Versuch der USAKritiker, Europa gegen Amerika zu positionieren, zur Spaltung und verringerte den Einfluss auf die Entscheidungsfindungen jenseits des Atlantiks deutlich.

Angesichts der Herausforderungen verbieten sich weitere Kraftproben und Eitelkeiten, die Prise Antiamerikanismus in unserer Debatte und Herablassendes über Europäer in der amerikanischen. Mit Blick auf transnationalen Terrorismus, die Proliferation von Waffen, Failing States, die Probleme der Umwelt, Seuchen und die Armut vieler hundert Millionen Menschen wird offenbar, wie unverantwortlich das Austesten vermeintlich alternativer weltpolitischer Achsen ist. Und wie instabil wechselnde Koalitionen bleiben.

Zu einer funktionierenden Partnerschaft gehören bekanntlich zwei, vor allem auch der Wille und die Fähigkeit, sich selbst mit den Augen des anderen zu sehen. Wie selten zuvor haben wir Europäer uns in den letzten Monaten den Kopf der Amerikaner zerbrochen. Was wurde nicht alles geschrieben und gesagt über Substanz und Stil der Politik von George W. Bush und deren Auswirkungen auf die atlantische Partnerschaft, ja auf das Geschick der ganzen Welt. Gewiss hat es uns Washington in den letzten Jahren nicht leicht gemacht. Die Reaktionen auf den einzigartigen Schock des 11. September empfanden viele Europäer als überzogen. Die Argumentationsnöte im Irakkrieg und die abscheulichen Bilder aus Abu Ghraib bleiben eine Bürde. Sicherlich dürfen wir von Präsident Bush mehr Multilateralismus erwarten.

Wir sollten uns aber vor der Illusion hüten, das Bild, das wir in Europa abgeben, sei nicht verbesserungswürdig. Wenn wir mit amerikanischen Augen auf uns blicken, können wir erkennen, dass weder unsere außenpolitische Vielstimmigkeit noch die Vernachlässigung unserer militärischen Kapazitäten, gepaart mit der moralisierenden Betonung der Höherwertigkeit unserer „soft power“ besonders beeindruckend wirken.

Wir trauen uns nicht zu, in Europa ohne die Amerikaner Ordnung zu schaffen, etwa im Kosovo. Im Kampf gegen den internationalen Terror rühmen wir unseren entwicklungspolitischen Ansatz, verschweigen aber, dass dieser in Afghanistan zur Bedingung hat, dass andere harte Kämpfe gegen die Taliban auf sich nehmen und gegen den boomenden Drogenanbau vorgehen. Im Irak fordern und beschließen wir multilaterales Vorgehen, achten dann aber mehr auf unsere Innenpolitik als auf unsere Bündnisfähigkeit in der Nato und die Unterstützung der irakischen Regierung. Mit all dem stärken wir die Unilateralisten in Washington, und der Ton mancher weltpolitischer Ratschläge wirkt grotesk.

Das Vorgehen der Europäer im Nuklearstreit mit Iran zeigt, was möglich ist, wenn wir unsere Kräfte zusammenlegen. Auch hier müssen beide Seiten des Atlantiks die Nagelprobe bestehen: Die Europäer müssen gegenüber Teherans Absichten und Verfehlungen Standfestigkeit zeigen. Sie dürfen nicht den Fehler machen, so zu tun, als ginge die Gefahr von den USA und nicht von Iran aus. Eine unzweideutige Position wird die Bereitschaft der Amerikaner stärken, glaubwürdig den Weg einer Verhandlungslösung zu suchen.

In Konkurrenz zueinander werden die USA und Europa wenig ausrichten können, in vertrauensvoller Partnerschaft sehr viel. Dies gilt für den Nahostkonflikt, für den Kaukasus, dem wir mehr Aufmerksamkeit widmen sollten, für eine Anbindung Moskaus an die euroatlantischen Strukturen, die Russlands Anrainer nicht als Terrain neuer Rivalitäten definiert, für Afrika und seine gigantischen Probleme … Bei der Flutkatastrophe in Südasien konnte und kann ein Wettbewerb über Führungsrollen weder Leben retten noch Perspektiven schaffen. Gemeinsam müssen wir auch der größten Herausforderung für unsere Zukunft begegnen: die Menschen in der nichtwestlichen Welt zu überzeugen, dass wir nicht gegen sie stehen.

Grundbedingung ist der Wille zu gemeinsamem Vorgehen. Mehr Europa ist unser bester Beitrag zu einer Gesundung des transatlantischen Verhältnisses. Wir sollten die zweite Amtszeit des US-Präsidenten dafür nutzen.

Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false