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AUFGELESEN: "Die Deutschen spielen Fußball, wie sie früher Trabi fuhren“

Polens Fußball-Fans können offenbar gar nicht genug von den Deutschen bekommen, so sehr beschäftigen sie sich mit den hiesigen Verhaltensweisen. Über die deutsche Elf wird fast mehr diskutiert, als über die eigene Mannschaft.

Was machen die Deutschen?

Was essen sie? Wo schlafen sie? Wie fühlen sie sich? Das sind die Fragen, die Polens Fußballfans zu beschäftigen scheinen. Fast häufiger noch als über das Wohlergehen der eigenen Mannschaft wird über die deutsche Elf diskutiert. Ein Schicksalsspiel sei die EM-Begegnung am Sonntag gegen Deutschland, heißt es in den einschlägigen Kicker-Gazetten. 15 Mal ist man gegen den übermächtigen Nachbarn angetreten, noch nie konnte gewonnen werden – diese schmachvolle Bilanz soll in Klagenfurt endlich verbessert werden.

Als Wortführer des polnischen Patriotismus hat sich die Boulevardzeitung „Fakt“ profiliert. Allerdings wird inzwischen nicht mehr reflexartig zum Kriegsvokabular mit Sturmtruppen und Panzern gegriffen, wenn es gilt, den deutschen Fußball zu beschreiben. Dieser Vergleich scheint seit der WM 2006 zu den Akten gelegt, als die Deutschen brasilianischen Fußball zelebrierten und sich mit einer bundesweiten Party in die Herzen der ganzen Welt feierten.

Doch die Redakteure bei „Fakt“ wissen, wie man die Instinkte mancher Fußballfans bedient. So prangt auf dem gestrigen Titelblatt des Blattes eine Fotomontage. Leo Beenhakker, Trainer der polnischen Elf, sitzt wie ein Rodeoreiter auf einem Trabant. Am Steuer sitzt ein hilfloser Michael Ballack. „Leo, mach die Trabis nieder!“ ist dort frei übersetzt in großen Lettern zu lesen. Daneben wird fachkundig die Spielweise des EM-Gegners analysiert: „Die Deutschen spielen heute so, wie sie früher Trabi gefahren sind: Sie sind langsam, berechenbar und ihr Spiel ist billiger Schund. Schon am Sonntag werden die Polen unter Leo Beenhakker der Welt zeigen, dass der deutsche Fußball noch nicht einmal Schrottwert hat.“

Bereits einige Tage zuvor war der deutsche Kapitän und der aus Holland stammende polnische Trainer Thema einer Fotomontage. Dieses Mal ging es zurück ins Mittelalter. Ballack trägt eine Pickelhaube und einen Umhang des Deutschen Ordens. „Mach’s wie in Grunwald!“ lautete der Befehl an Beenhakker. 1410 wurden in Masuren deutsche Ordensritter von einem polnischen Heer geschlagen – in Polen bis heute ein Datum, das jedes Schulkind auswendig lernen muss. Knut Krohn

Knut Krohn

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