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Aufgelesen: Die Freunde verprellt, die Feinde befriedigt

Die Reaktionen auf die Veröffentlichung der US-Geheimdiensterkenntnisse zu Irans Atomprogramm sind höchst unterschiedlich. In Israel fühlt mich sich gar "im Stich gelassen".

Es hat gedauert. Nur langsam ist die volle Wucht des Berichts der US-Geheimdienste zum iranischen Atomprogramm zu spüren. Viele Offizielle, von George W. Bush bis Angela Merkel, tun einfach so, als sei nichts gewesen. Sie drängen ungeniert auf eine weitere UN-Resolution. Inoffizielle indes, wie der frühere Uno-Botschafter John Bolton, geißeln den Bericht als einen „Quasi-Putsch“ der Schlapphüte gegen den Präsidenten. Die Dienste hatten festgestellt, dass Iran sein Atomwaffenprogramm im Jahr 2003 eingestellt hat.

Caroline Glick, eine kluge Kolumnistin der „Jerusalem Post“, beklagt „das Imstichlassen der Juden“ ("The Abandonment of the Jews"). Der amerikanische Geheimdienstbericht sei die „politische Version eines taktischen Nuklearschlags“ gegen die Bemühungen, Iran vom Bau einer Atomwaffe abzuhalten. Kein Wunder: Die Hauptautoren der Analyse - Thomas Fingar, Vann Van Diepen und Kenneth Brill, allesamt Mitarbeiter des Außenministeriums - seien als entschiedene Gegner von Bushs Außenpolitik bekannt. Kann man den amerikanischen Geheimdiensten überhaupt noch trauen? „Erst kürzlich hatten sie keine Ahnung vom Atomprogramm Syriens, obwohl die Nuklearanlage, die Israel laut Berichten am 6. September zerstörte, über der Erde gebaut worden war.“

Nicht minder erregt sind die Briten. Deren Spione meldeten „starke Zweifel“ am Ergebnis ihrer US-Kollegen an, berichtet der „Telegraph“. Und die britische Regierung sei zornig über den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Dadurch seien die Bemühungen um weitere Sanktionen gegen Iran unterminiert und die Wahrscheinlichkeit eines israelischen Angriffs auf Iran erhöht worden. Bitterböse äußert sich Bruce Reidel, ein langjähriger CIA-Mitarbeiter und Nahost-Experte, in der Zeitung: „Der Bericht hat unsere Freunde erzürnt, besonders die Briten und Israelis. Unseren Feinden wiederum wurde Einblick in unsere geheimsten Erkenntnisse gewährt.“

Weitaus milder bleiben Richard L. Armitage, Ex-US-Vizeaußenminister, und Joseph S. Nye, Ex-US-Vizeverteidigungsminister, gestimmt. In der „Washington Post“ folgern sie aus dem Bericht, dass Iran internationalem Druck nachgegeben habe. Das sei ermutigend und beweise, dass US-Außen- und Sicherheitspolitiker vor allem auf „soft power“ setzen müssten. Dazu gehöre auch die Führungsrolle in der Bekämpfung des Klimawandels. Bleibt nur die Frage, ob Mahmud Ahmadinedschad wirklich gezwungen werden kann, in seine Raketen Rußfilter einzubauen.

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