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Rushdie

© AFP

Aufgelesen: Eine Queen, ein Ritter und viele Querulanten

Landesweite Demonstrationen gegen den "Blasphemiker": Nach dem Ritterschlag für Salman Rushdie brennen wieder Queen-Atrappen auf den Scheiterhaufen der muslimischen Welt. Al Qaida kann sich über so viel kostenlose Werbung nur freuen.

Von Caroline Fetscher

In Cool Britannia gibt Tony Blair, der von vielen Muslimen Gehasste, sein Amt ab. Doch seinen frommen Gegnern bleibt nicht viel Zeit für Freudenfeiern – seit die Queen Salman Rushdie, ebenfalls ein Zornobjekt dieser Gruppe, zum Ritter geschlagen hat. Und damit an die Existenz des Satanische Verse schmiedenden Ex-Muslims erinnert, der nun auch noch Sir Salman heißen darf. Das geht zu weit! Dieser Akt rechtfertige sogar Selbstmordattentate, zitiert der „Guardian“ Pakistans Religionsminister Mohammed Ijaz ul-Haq – und Associated Press in Pakistan selbst berichtet mit mühsamer Neutralität von landesweiten Demonstrationen gegen den Ritterschlag für den „Blasphemiker und umstrittenen Schriftsteller“.

In der gegen den „Islamofaschismus“ aktiven Bloggerszene verbreitet man genüsslich Fotos von aufgebrachten Islamisten, etwa in der Stadt Multan, die Rushdie auf Transparenten zum „größten Übel dieser Welt“ erklären.

Mit derart eklatanten Mangel an Coolness wurden inzwischen schon medienwirksam Rushdie-Puppen ins Feuer geworfen und Queen-Attrappen auf Scheiterhaufen, so dass die beherzte Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali in der „Welt“ vom Westen verlangt, er müsse von den Querulanten eine Entschuldigung fordern. Im selben Atemzug freut sie sich, dass eine Königin im Dienst der Freiheit arbeitet, was ja wirklich eine gute Sache ist: „a good thing“, um einmal den Hauptsatz von Großbritanniens bester Geschichtssatire zu zitieren, „1066 and all that“, ein furioser Klassiker, der allen, aber auch allen Muslimen wie Nichtmuslimen zur Entspannung in Sachen Adel, Ritterschaft, Imperien und so fort empfohlen wird.

Salman Rushdie, der friedlich Romane schreibt und keiner Fliege etwas zuleide tut, habe mit seinen „Satanischen Versen“ den Propheten beleidigt, heißt es in der Welt des Radikalislams. Wie viele Erzürnte es in solchen Fällen oder etwa im Städtchen Multan tatsächlich waren und sind, lässt sich wohl kaum genau eruieren, denn verschiedene Seiten des Geschehens haben – wie zum Beispiel bei G-8-Demonstrationen – ein Interesse, die Zahl höher aussehen zu lassen. Für Agenturen und Fernsehsender sind aufgestachelte Massen „news“: je mehr Tumult, desto besser verkäufliche Bilder. Für Mullahs oder Fans von Osama bin Laden gilt dasselbe aus einer anderen Warte: Je mehr fuchsteufelswütende Leute öffentlich den Westen verfluchen, desto bessere Reklame für ihre Causa.

In einem Brief an Salman Rushdie, den die „Süddeutsche Zeitung“ gestern veröffentlichte, wünscht sich der Schriftsteller Said, Sir Salman möge seine Kritiker im Iran nicht als die Summe aller Iraner ansehen: „bitte erinnere dich, lieber salman rushdie, dass sich schon damals viele iranische intellektuelle mit dir solidarisiert haben, und das tun sie heute noch. sie tun es im geheimen, soweit sie in teheran leben, und offen, wenn sie wie ich im Exil sind. und wer dich in schutz nimmt, tut sich selbst einen gefallen, denn er verteidigt dabei seine eigene freiheit.“ A very good thing indeed. Von Caroline Fetscher

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