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Aufgelesen: Obama, der Orator - McCain, der Boxer

Eine Internet-Nachlese von Malte Lehming zum Besuch des designierten US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama in Berlin.

Ein Gutes hatte die Europatournee von Barack Obama: Man nimmt sich wieder wahr, diesseits und jenseits des Atlantiks. Und es gleicht ja in gewisser Weise einem Ritterschlag, durch ein Online-Editorial in einem deutschen Nachrichtenportal zum Gegenstand eine Kolumne in der "New York Times" zu werden. Das geschah Gerhard Spörl, dem Auslandschef des "Spiegel", der nach der Siegessäulenrede Obamas orakelt hatte: "Nr. 44 hat gesprochen". Das war gemünzt auf den nächsten, den 44. US-Präsidenten. Mit Schwung und Strahlkraft habe Obama "Hillary Clinton weggefegt und so wird er auch John McCain am 4. November hinter sich lassen".

Das wiederum wurmte William Kristol, seit Jahresanfang das konservative Aushängeschild der "New York Times". "Nicht so schnell, Herr Spörl", schleuderte er diesem auf Deutsch entgegen. "Haben nicht die Amerikaner im November die Wahl? Vielleicht entscheiden sie sich dafür, dass es wichtiger ist, John McCain als Oberkommandierenden (commander in chief) zu haben als Barack Obama als Oberredner (orator in chief). Außerdem könnten sie vielleicht annehmen, dass 200.000 Deutsche nicht wirklich recht haben können." Interessant ist das Wort "fawning", mit dem Kristol das Verhältnis Spörls zu Obama charakterisiert. Denn dasselbe Wort hatte kurz zuvor der Sprecher McCains, Tucker Bounds, benutzt und es auf jene bezogen, die Obama an der Siegessäule zugejubelt hatten. Die Bedeutungen von "fawning" changieren zwischen "anhimmelnd" und "kriecherisch".

Im Online Magazin "Slate" befasst sich Anne Applebaum mit der Rolle der Europäer nach der US-Präsidentschaftswahl. Ist deren große Stunde gekommen? Applebaum ist skeptisch: "Nur wenige europäische Politiker verstehen den Wechsel in Washington als eine Chance, selbst etwas Neues vorzuschlagen. Die meisten fühlen sich bloß erleichtert, dass Bush weg sein wird, gekoppelt an die Sorge, was als nächstes kommt."

Kommt er als nächstes, der 71-jährige Senator McCain? In "The New Republic" versucht Michael Crowley, den Vietnamveteranen durch seine Boxleidenschaft zu verstehen. Vor elf Jahren etwa, als Mike Tyson ein Stück aus dem Ohr von Evander Holyfield gebissen hatte, sei McCain außer sich gewesen, später habe er alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Wiedererteilung der Boxlizenz an Tyson zu verhindern. Das klappte zwar nicht, aber die "Box-Obsession" McCains hält bis heute an.

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