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Meinung: Aus den Augen, aus dem Sinn

Berichterstattung zum Abriss von Berliner Bauten Von meinen Eltern geprägt, dass schmucklose Bauten „Hitler-Architektur“ seien, nahm ich von den Kant-Garagen jahrelang nicht die geringste Notiz. Irgendwann, im Zuge einer kulturellen Abnabelung, begann ich, mich für Architektur zu interessieren.

Berichterstattung zum Abriss von Berliner Bauten

Von meinen Eltern geprägt, dass schmucklose Bauten „Hitler-Architektur“ seien, nahm ich von den Kant-Garagen jahrelang nicht die geringste Notiz. Irgendwann, im Zuge einer kulturellen Abnabelung, begann ich, mich für Architektur zu interessieren. Ich stellte fest, dass schmucklos nicht einfach ist, und es waren die Kant-Garagen, die mir mein diesbezügliches „Damaskus-Erlebnis“ beschert haben. Auf einmal nahm ich bei den S-Bahn-Fahrten die verglaste Rückfront mit den abgerundeten Ecken ganz anders wahr, die Schönheit, Spannung und vor allem der Geist des Gebäudes erschlossen sich mir: Eine Immobilie für die Mobilität! Das ganze erschließt sich wahrscheinlich auch erst, wenn man den automobilen Geschmack der Zeit mitberücksichtigt. Und da war ich bei einer weiteren Leidenschaft, den Automobilen der „Zwischenkriegszeit“. Der Kontrast zwischen vielgliedrigen, zum Teil organisch geschwungenen Wagenkörpern, Rädern, die noch an Kutschen erinnern, und einem Gebäude, das kubisch-klar die gründerzeitlichen Fassaden bricht – diese Einheit des Disparaten macht dieses Gebäude zur Inkunabel.

Ihr Artikel löst echte Trauergefühle in mir aus, Chronik eines angekündigten Todes. Was können wir tun?

Die Idee eines Automobilmuseums kam mir damals auch schon. Das Meilenwerk als Oldtimer-Treffpunkt scheint ein voller Erfolg zu sein, kann dieser Gedanke nicht auf die Kant-Garagen ausgeweitet werden? Ist die Eigentümerin (die Pepper-Familie?) nicht so gut ausgestattet, dass sie das Gebäude im Sinne eines Mäzenatentums erhalten könnte, abseits „wirtschaftlicher Interessen“?

Schlösser werden abgerissen und wieder aufgebaut, Fassaden mit Styropor versiegelt – und die echten, noch vorhandenen Perlen sprichwörtlich vor die Säue geworfen.

Holger Nikolai, Berlin-Nikolassee

Das ICC ist seit 30 Jahren eine tolle Erfolgsgeschichte. Zwar teurer als geplant und aufwendig in Betrieb und Unterhaltung – beides aber nach glanzvoller Eröffnung und eingehender parlamentarischer Überprüfung voll akzeptiert, da festgestellt wurde, dass die Einnahmen des Landes Berlin aus dem Betrieb des Hauses ein Mehrfaches des entstehenden Aufwandes betragen und dieser damit letztlich abgedeckt ist. Die Erkenntnis geriet rasch in Vergessenheit. Mit Zuschüssen des Landes wurde geknapst, gespart und aufgeschoben – unverantwortlich! Kein privater Eigentümer darf sich so etwas leisten, erst recht nicht die Öffentliche Hand! Ergebnis ist nun ein selbst gemachter, gewaltiger Sanierungs- und Regenerationsaufwand. Kein Wunder nach 30 Jahren sträflicher Vernachlässigung.

Der in seiner Einzigartigkeit und Funktionalität großartige und absolut noch zeitgemäße Bau ist auf der Basis seines Grundkonzeptes als Kongress- und Festspielhaus mit Vollbühne nach heutigen Erkenntnissen in Bau und Betrieb zu sanieren und wenn nötig zu verändern und zu ergänzen. Auch das gesamte Umfeld des ICC im Kontext mit der künftigen Entwicklung der Messe Berlin ist längerfristig weiterzuentwickeln.

Jürgen Nottmeyer

und Freunde des ICC, Berlin

Um es ohne Umschweife zu sagen: Was das endgültige Aus des ICC angeht, so finde ich es nicht schade drum, ganz im Gegenteil. Ein gebautes Etwas, was sich nicht so ganz entscheiden kann, ob es Haus oder Maschine sein soll, auf nichts bezogen, zwar markant und merkbar für jeden, doch ohne jede menschliche Ausstrahlung für den, der die Eiseskälte im Blut nicht für den Normalzustand hält.

Für mich verkörpert das ICC wie auch das gesamte Umfeld geradezu eine menschenfeindliche Utopie. Dass das Fahrrad nicht mehr treppab, treppauf geschultert und durch einen düsteren Fußgängertunnel bewegt werden muss, gehört glücklicherweise der Vergangenheit an. Dass ich den Impuls habe, jedes Mal meinen Kopf einzuziehen, gehe ich zu Fuß drunter entlang, das wird sich nur ändern, wenn zur Asbestentfernung auch noch die Gehwege und das gesamte Umfeld komplett um 1,50 Meter tiefer gelegt werden. Etwas Besseres und etwas Ansprechenderes als dieses Monstrum – Verzeihung – findet sich allemal.

Wenn es einen Nachfolgebau geben sollte, sollte der seinen Ausgangspunkt weit mehr an der filigraneren Bebauung des Kaiserdamms nehmen, als den geschlagenen 1960er-Jahre-Schneisen auch noch die Krone aufzusetzen.

Überhaupt, Kaiserdamm: War da nicht mal was? War der nicht eine sorgsam gegliederte Prachtstraße europäischen Zuschnitts, bevor die Nazis 1938 entschieden, daraus praktisch eine Schieß- und Autobahn zu machen.

Ohne diesen eklatanten Einschnitt mit allen seinen Folgewirkungen wäre wohl auch niemals das ICC so erbaut worden?

Helmut Krüger, Potsdam

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