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Meinung: Aus Verlegenheit Vergangenheit

Stolpe als neuer Superminister aus dem Osten ist nur die zweitbeste Lösung

Ein eigenes Ministerium für die neuen Länder ist eine alte Idee. Sie ist fast so alt wie die neuen Länder selbst – immer wieder wurde seit dem Beginn des Aufbaus Ost der Gedanke ins Spiel gebracht, Energien und Kompetenzen für diese Aufgabe zu bündeln. Nun gibt sich das alte Projekt als Infrastruktur-Ministerium, ist zeitgemäß ein Superministerium, ein Amalgam von Verkehr und Bau und Aufbau Ost und hat buchstäblich über Nacht als Haupt einen im Osten hoch renommierten Politiker bekommen: Manfred Stolpe. Ist nun der Hebel geschaffen, dem Osten zu geben, was der Osten braucht: die herausgehobene Position in der deutschen Politik – nachdem er zunehmend an deren Rand geraten ist –, das Schaltpult, um diesen Anspruch durchzusetzen, der Mann, der dieses Projekt auch personifiziert?

Schon die Art und Weise, mit der der frühere brandenburgische Ministerpräsident über Nacht aus dem Hut gezaubert wurde, um dorthin gesetzt zu werden, wo noch am späten Abend nach der Überzeugung aller Beobachter der Leipziger Bürgermeister Wolfgang Tiefensee hin sollte, nährt den Verdacht, dass die Lösung eine Verlegenheitslösung ist. Es mag ja sein, dass Tiefensee in Leipzig bleibt, weil er sich von dort aus besser für die sächsische Landtagswahl 2004 in Stellung bringen kann als vom Regierungsamt in Berlin. Mancher mag auch blauäugig genug sein, um Stolpes Lesart für bare Münze zu nehmen, Schröder habe ihm den Ministerhut aufgenötigt, weil er erfahrener und krisenerprobter sei als Tiefensee. Doch fest steht, dass die Absicht, den Osten aus seinen Krisen herauszureißen und zugleich die Ost-SPD als dynamische Kraft zu etablieren, nachdem die SPD dem Osten einen guten Teil ihres Wahlerfolgs verdankte, nach Tiefensee rief – und nicht nach Stolpe.

Das ist keine Kritik an Stolpe, dessen Verdienste und Begabungen unbestritten sind. Aber die Zukunftsperspektive für den Osten, die das neue Ministerium eröffnen soll, verkörperte eben doch eher der 47-jährige Sachse, der Diplomingenieur, der erfolgreiche Kommunalpolitiker, der der pulsierendsten Stadt im Osten vorsteht und der mit der Gewinnung von BMW und Porsche Leuchttürme für die Industriepolitik in den neuen Ländern errichtete. Es passt dazu, dass Tiefensee kein Parteimann ist, sondern aus dem Urgrund des Leipziger Herbstes von 1989 kommt, aus der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“ und dem „Neuen Forum“ und seinen Weg in die Politik über den Runden Tisch gefunden hat. Seine SPD-Karriere ist das Pendant seiner kommunalpolitischen Laufbahn, nicht umgekehrt.

Natürlich ist Stolpe für jedes Ministerium eine gute Besetzung, auch für dieses. Niemand kennt den Osten so gut wie er. Er ist überdies ein gewiefter Politiker, unabhängig und im Fall der Fälle auch zu sperrigem Verhalten fähig. Aber die Leistung, Brandenburg durch die Nachwendejahre gesteuert zu haben, und sein Ruf als treuer Eckhard der Ostdeutschen verdanken sich vor allem seiner Fähigkeit zum Integrieren und Moderieren – ein Polit-Magier von Gnaden, für den Osten eine „Ikone“, wie sein Nachfolger Platzeck ihn nennt. Macher- und Manager-Qualitäten dagegen waren seine Stärke nicht.

Es wäre nicht fair, dem künftigen Bau-und Verkehrsminister industriepolitische Rohrkrepierer wie den Lausitzring und Cargo-Lifter als brandenburgische Gesellenstücke anzuhängen. Aber es fällt schwer, sich vorzustellen, dass Stolpe nun auf seine älteren Tage zu einem Clement des Ostens würde – wobei das nicht einmal ausreichen würde, denn Minister der alles andere als einfachen Bau-und Verkehrsfragen im Westen ist er schließlich auch noch. Es wird auch nicht genügen, dass die Rolle des Chefs des vor allem debattierenden „Forum–Ost“, die Stolpe innehatte, nun mit einem Ministeramt geadelt wird. Stolpe muss dem neuen Ministerium Durchschlags- und Durchgriffs-Kraft geben.

Etwas von dem Gewicht der Aufgabe lassen seine Kommentare spüren: der Pflicht gehorchend, nicht dem eigenen Ehrgeiz, tritt dieser Minister sein Amt an.

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