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Außenpolitik: Guido Gandhi

Außenminister Westerwelle gibt den Pazifisten – und geht damit ein hohes Risiko ein. Schlimmstenfalls droht ihm die außenpolitische Isolation.

Von Antje Sirleschtov

Ob der deutsche Außenminister von seiner Reise nach London einen raschen Frieden für Afghanistan mitgebracht hat, das weiß natürlich noch niemand so genau. Auf jeden Fall aber hat Guido Westerwelle die Afghanistankonferenz zu intensiver Innenpolitik genutzt. Und sich selbst als Speerspitze des deutschen Truppenabzugs inszeniert.

Erst wollte er überhaupt nicht nach London fliegen, wenn es dort zu einer reinen Truppenstellerkonferenz gekommen wäre (was natürlich nie irgendwer geplant hatte). Dann war ausgerechnet er es, der am vergangenen Montag (anders als Kanzlerin und Verteidigungsminister) den Abzugsbeginn deutscher Soldaten auf 2011, also demnächst, terminierte. Und zu guter Letzt legte Westerwelle bei der Darstellung des schwarz-gelben Strategiewechsels ganz besonderen Wert auf seine eigenen – offenbar gegen den Widerstand von CDU und CSU verhandelten – Anteile an der neuen Strategie: mehr ziviler Aufbau, mehr Kontakt zu Afghanen, ein Reintegrationsprogramm für die Taliban. Mithin also weniger Militär.

London ist jetzt vorüber. Und wie anders könnte das Resümee des deutschen Außenministers lauten: „Jetzt“ beginnt die Übergabe in Verantwortung. Westerwelle hat es geschafft, er ist die liberale Verkörperung des deutschen Volksempfindens: Nur raus da, besser heute als morgen. Sein Widersacher Karl-Theodor zu Guttenberg mag zuvor die Herzen mit dem ehrlichen Wort des „Kriegsähnlichen“ erwärmt haben. Sei’s drum. Nun hat Westerwelle gleichgezogen. Mal sehen, ob es dem FDP-Vorsitzenden nun endlich gelingt, sich auf der Popularitätsskala dorthin zu katapultieren, wo traditionell Chefdiplomaten zu finden sind. Ganz, ganz vorn nämlich.

Dass Westerwelle den liberal- bürgerlichen Pazifisten einzig und allein gibt, um auf der Popularitätswelle oben zu schwimmen, ist einem, der jeder seiner Botschaften besondere Wucht verleiht, leicht zu unterstellen. Gleichwohl wäre es ungerecht. Der Mann wollte bereits keine Krieger in den Libanon schicken und auch bewaffnete Wahlbeobachtung im Kongo erhielt seine Unterstützung nicht. Damals allerdings konnte er es sich leisten, so zu denken: Westerwelle war in der Opposition. Da müssen einen die Folgen eines außenpolitischen „nein“ nur wenig mehr scheren als die Folgen eines radikalen Umbaus der Sozialsysteme. Wer in der Regierungsbank sitzt, kann allerdings nicht mehr mit demselben Schwert gegen Faulpelze und Taliban zu Felde ziehen. Er muss den nächsten Schritt bereits mitdenken. Zumal wenn er sich der traditionellen Linie deutscher Außen- und Bündnispolitik verschrieben hat.

Was, wenn Westerwelles ambitionierter Abzugsplan nicht funktioniert, wenn abermals ein Strategiewechsel oder längerer Verbleib von Soldaten in Afghanistan nötig wird? Dann droht ihm, der sich jetzt so deutlich festgelegt hat, im Bündnis schlimmstenfalls sogar die Isolation. Ein außenpolitisches Desaster, das am Ende auch seinen erhofften innenpolitischen Landgewinn zunichte machen würde.

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