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Bahn-Privatisierung: Kleiner Erfolg, großes Debakel

Kurt Beck hat eine Einigung zur Bahn-Privatisierung gefunden – das könnte sich rächen. Er spielt mit seinem Vorhaben der Linkspartei in die Arme.

Man kann Kurt Beck nicht vorwerfen, dass er nicht alles versucht hätte. Am Ende musste der SPD-Chef seinen Leuten sogar sauberere Toiletten in den Bahnhöfen versprechen, um sie für die Privatisierung der Deutschen Bahn zu gewinnen. Mit dem Kern der Sache hatte das zwar wenig zu tun, aber Beck hat sich durchgesetzt: Der Verkauf des letzten Staatskonzerns kann kommen, das Scheitern des wichtigsten wirtschaftspolitischen Vorhabens der Wahlperiode ist abgewendet.

Das ist nicht alles. Beck hat parteiintern seine Handlungsfähigkeit als Vorsitzender unter Beweis gestellt. Er hat die widerspenstige SPD-Linke ins Boot geholt und trotzdem seine Stellvertreter Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier nicht brüskiert, wie beim Verhältnis zur Linkspartei und beim Arbeitslosengeld.

„Alles bestens“ also, wie Beck nach der Nachtsitzung tönte? Wird das bislang verkorkste Bahn-Projekt noch sein Gesellenstück, mit dem er für die SPD die Wende in der Wählergunst und sich selbst den Weg ins Kanzleramt bereitet?

Wohl kaum. Das liegt nicht nur daran, dass Becks Privatisierungsplan schwer verständlich ist und er obendrein die Macht der Deutschen Bahn zementiert, also kaum für mehr Wettbewerb und sinkende Ticketpreise sorgt. Sondern Beck spielt mit der Entscheidung für den Verkauf vor allem seinem ärgsten Widersacher in die Hände – Oskar Lafontaine und dessen Linkspartei. Die pflegen fleißig den derzeit privatisierungskritischen Zeitgeist, wonach der Staat die Bedürfnisse der Bürger viel besser bedienen kann als freie Unternehmen auf dem Markt. Sogar die Privatisierung von Telekom und Post will Lafontaine nun allen Ernstes rückgängig machen. Zumindest in Sachen Bahn weiß er die Mehrheit der Bürger hinter sich: Bis zu zwei Drittel lehnen eine Privatisierung in den Umfragen ab.

Das liegt nicht allein daran, dass die 180 000 Bahn-Beschäftigten im Inland Sicherheit für ihre Jobs und die pro Tag fünf Millionen Passagiere pünktliche Züge wollen. Schuld ist auch die bislang wirre Debatte über die Privatisierung in der Koalition. Sie hat bislang stets den Verdacht genährt, dass sie im Zweifel dem Machtinteresse von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn nahe ist – und nicht dem Interesse der Bürger an mehr Verkehr und Service auf der Schiene.

Beck stand vor der Alternative, ob er sich von der Union als Blockierer bezeichnen lässt, wenn er den Bahn-Verkauf stoppt. Oder ob er sich von der Linkspartei bis zur Bundestagswahl auf den Marktplätzen als Neoliberaler beschimpfen lässt, wenn er ihn durchwinkt. Er hat sich für Letzteres entschieden. Eine heikle Strategie, denn die jüngsten Landtagswahlen haben gezeigt, dass der wichtigste Gegner der SPD links von ihr steht, nicht rechts. Mit dem Thema Bahn wird Beck bei der Wahl 2009 nicht punkten. Daher muss er sich jetzt ein völlig anderes, zugkräftiges Thema suchen. Momentan würde ihn nicht einmal jeder achte Deutsche zum Kanzler wählen. Viel Zeit, dies zu wenden, bleibt dem SPD-Chef nicht mehr.

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