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Meinung: Balkan-Konflikt: Milosevics Opfer, Milosevics Schüler

Die Bilder sind erschreckend vertraut, allzu bekannt aus dem belagerten Sarajevo: Schüsse dringen aus den Bergen über der Stadt, der Zoom der Fernsehkameras fängt die weißen Wölkchen des Mündungsfeuers ein. Unfreiwillig malerisch und totbringend.

Die Bilder sind erschreckend vertraut, allzu bekannt aus dem belagerten Sarajevo: Schüsse dringen aus den Bergen über der Stadt, der Zoom der Fernsehkameras fängt die weißen Wölkchen des Mündungsfeuers ein. Unfreiwillig malerisch und totbringend. Wenig später folgen Bilder von sterbenden Menschen - nur weil sie nach Wasser anstanden, das es in ihren Wohnungen längst nicht mehr gab.

Und nun Tetovo? Noch ist die mazedonische Stadt an der Grenze zu Kosovo nicht eingeschlossen, glücklicherweise gibt es dort bisher nur wenige Opfer. Doch unter Feuer sind plötzlich auch deutsche Soldaten gekommen: Aus dem beschaulichen Friedensdienst in Mazedonien, das sich als einzige ex-jugoslawische Republik aus den Kriegen hatte heraushalten können, ist für die Bundeswehr-Einheit, die den Nachschub für die Kameraden im Kosovo organisiert, eine gefährliche Lage an der Front geworden.

Ein Kampf um Mazedonien, jetzt noch? Solange Diktator Milosevic in Belgrad regierte, war das zu befürchten. Er trug den Krieg von einer ex-jugoslawischen Republik in die nächste, um politisch zu überleben. Nur Mazedonien fehlte noch. Und galt als gerettet, als Milosevic stürzte. Warum bricht der verhinderte Krieg doch noch aus - unter umgekehrten Vorzeichen? In Mazedonien sind nicht Serben die Schurken, sondern Albaner: Ihre "Freiheitskämpfer" wollen einen vergrößerten Staat errichten, indem sie die Albanergebiete Mazedoniens und Südserbiens mit Kosovo vereinen. 1999 hatte die Nato die Albaner im Kosovo vor den Serben geschützt. Aus Schützlingen sind Gegner geworden, aus Feinden Allierte. In Bosnien, in Sarajevo, im Kosovo musste die Nato die Serben stoppen. Jetzt verbündet sich die Allianz mit ihnen, um die großalbanische Gefahr zu bannen. Großalbanien statt Großserbien als neue Gefahr?

Dies ist auch Milosevics fünfter Krieg - ungeachtet seines Machtverlusts. Er hat die beiden Hauptursachen hinterlassen. Erst die verschärfte Unterdrückung im Kosovo hatte die Albaner dazu gebracht, eine Untergrundarmee aufzustellen; es sind offenbar vor allem Kämpfer aus dem Kosovo, die nun in Mazedonien schießen. Zweitens hat sein Vertreibungskrieg im Kosovo die Bevölkerungsverhältnisse in Mazedonien verschoben. Dorthin waren fast 300 000 Kosovo-Albaner geflohen, ein Großteil ist bis heute nicht heimgekehrt. So hat sich der Albaner-Anteil im slawischen Mazedonien von einem Viertel auf ein Drittel erhöht, in der Hauptstadt Skopje stellen sie sogar die Hälfte. Ihr Selbstbewusstsein ist nach der serbischen Niederlage enorm gewachsen. Und hat sie selbst zu kleinen Imperialisten gemacht.

Mit Minderheitenrechten, mit der neuen albanischen Universität in Tetovo geben sie sich nicht zufrieden. Das ergibt die explosive Mischung: Die albanischen Kämpfer, die im Kosovo die Unabhängigkeit schwerlich gegen die Nato-Truppen erzwingen können und in Südserbien kaum Aussicht auf Erfolg gegen Belgrads Armee haben, tragen den Konflikt nach Mazedonien. Dort rechnen sie auf Zulauf junger Albaner, die sich trotz politischer Emanzipation, inklusive Regierungsbeteiligung, diskriminiert fühlen. Und Skopjes Streitkräfte sind schwach.

Dieser fünfte Krieg ist trotzdem noch vermeidbar. Starke Sprüche, wie sie der unverbesserliche Rudolf Scharping klopft, helfen wenig - Leos auffahren lassen und Donnerworte: "Wir lassen uns nicht auf der Nase herumtanzen." Wann ist eine Guerilla je erfolgreich mit schweren Panzern bekämpft worden? Es ist auch das falsche Signal an die deutsche Öffentlichkeit. Scharping müsste jetzt dafür werben, noch einmal Geduld und Geld aufzubringen, für einen weiteren, nicht ungefährlichen Einsatz.

Der Westen kann Mazedonien stabilisieren: politisch und militärisch. Politisch durch Druck auf alle Albanerführer: Der Untergrund kann diesen Krieg nicht gewinnen, dafür reicht das ökonomische und militärische Potenzial nicht aus, nicht einmal das aller Albaner auf dem Balkan zusammen. Am Ende werden nur Leid und Zerstörung stehen. Und militärisch: Indem die Nato auch nach Mazedonien Friedenstruppen verlegt.

Noch ein Kriseneinsatz? Hört das denn nie auf? Nur so hört es auf. Der fünfte Krisenherd ist auch der letzte. Dann ist Milosevic wirklich Geschichte.

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