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Meinung: Balkaneinsatz: Guter Rat ist teuer

Auf Gerhard Schröders Nase ist Verlass. Beim Thema Mazedonien-Einsatz, Bundeswehretat und außenpolitische Verlässlichkeit tat sich eine Angriffsfläche für die Union auf.

Auf Gerhard Schröders Nase ist Verlass. Beim Thema Mazedonien-Einsatz, Bundeswehretat und außenpolitische Verlässlichkeit tat sich eine Angriffsfläche für die Union auf. Wieder einmal hat der Medienkanzler die Gefahr gewittert - und blitzschnell öffentlich interveniert: Selbstverständlich werde Deutschland seine internationalen Pflichten erfüllen. Ja, tut das der potenteste europäische Nato-Partner?

An der Entsendung von 3000 Mann für 30 Tage zur Entwaffnung der albanischen Separatisten, die die Nato seit Wochen plant, wollte sich Berlin bisher nicht beteiligen. Offiziell, weil es zuvor eine politische Einigung der Konfliktparteien geben müsse; tatsächlich, weil der Bundeswehr Personal und Material für einen dritten Auslandseinsatz neben Bosnien und Kosovo fehlen, wie Generalinspekteur Harald Kujat zu Recht klagt. Sicher ist jedoch schon heute: Sollte Mazedonien trotz der EU-Vermittlung in den Krieg stürzen, werden diese Festlegungen nicht mehr gelten. Dann wird die Nato eingreifen - und Deutschland mittun: ohne den heute geforderten Kompromiss in Mazedonien, mit den Truppen, die jetzt angeblich fehlen, und nicht für 30 Tage, sondern für Jahre.

Schröder beherrscht die überraschende verbale Intervention, die ihn, zumindest in den Medien, wieder zum Herrn der Lage macht: Holzmann, Agrarwende, Genpolitik - und nun Mazedonien. Aber kann er auch einen falschen Kurs korrigieren? Es war dieser Kanzler, der der Armee, die er jetzt einsetzen will, das dafür nötige Budget verweigerte. Alle Fachleute hatten ihn gewarnt: So kann Deutschland weder die Zusagen an die Nato noch an die EU für Europas neue Eingreiftruppe erfüllen. Langfristig muss die Bundeswehr gar nicht teurer werden. Sie braucht allerdings mehrere Milliarden Mark Anschubfinanzierung für die Reform, für die neue Ausrüstung. Wer sparen will, muss erstmal investieren.

Monatelang hat der Kanzler den Rat der Bundeswehr-Kommission unter Richard von Weizsäcker ignoriert. Jetzt gibt es plötzlich mehr Geld: Einen Mazedonien-Einsatz brauche Verteidigungsminister Scharping nicht aus seinem Budget zu bezahlen, sagt der Kanzler nun. Hat er gelernt? Den falschen Etatansatz will er nicht korrigieren. Dafür könnte man sogar ein bisschen Verständnis aufbringen. Wegen des Konjunktureinbruchs. Und weil das Begehrlichkeiten weckt. Wenn die Neuverschuldung wegen Mazedonien steigt, warum nicht gleich ein paar Milliarden mehr: für die Familienpolitik, die Krankenkassen, ein Konjunkturprogramm?

Nur leider deutet alles darauf hin, dass nicht Einsicht den Kanzler trieb, sondern die Opposition. CDU/CSU und FDP wollen im Bundestag gegen ein Mazedonien-Mandat stimmen: Die Truppe sei dafür nicht ausgerüstet. In den eigenen Reihen hat Rot-Grün bei Auslandseinsätzen keine Mehrheit sicher. Innenpolitisch wird sich Schröder aus der Defensive befreien und in die Attacke übergehen. Geld hat er jetzt zugesagt. Und wie lange wird sich die Union dem Vorwurf aussetzen wollen, den sie früher der Linken machte: Wenn deutsche Soldaten in den Einsatz gehen, haben sie Anspruch auf parteiübergreifende Rückendeckung?

International ist Verlässlichkeit gefragt, nicht mediale Geschmeidigkeit - ein Langfrist-Kapital. Beim Wehretat gehört Deutschland zu den Nato-Schlusslichtern. Gemessen am Inlandsprodukt gibt der politische und wirtschaftliche Riese Europas für seine Armee nur ein Drittel so viel aus wie die USA und gut halb so viel wie Großbritannien oder Frankreich. Hat Schröder die Größe, Fehler zu korrigieren? Dann bräuchte er sich nicht mehr allein auf seine Nase zu verlassen.

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