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Bauausstellung Berlin: Schaut auf diese Stadt

Die Stadt zerfließt an ihren Rändern. Hässliche Gewerbegebiete entstehen, niemand möchte in solchen Straßen wohnen. Hier und nicht nur im Zentrum entscheidet sich, ob Berlin eine lebenswerte Stadt bleibt. Noch kann man durch kluge Vorgaben den Werdegang an diesen Entwicklungsachsen steuern.

Es ist erstaunlich: Da wurden nach 1989 zwei getrennte Stadthälften wieder eins und wuchsen gleich so zusammen, als hätte es einen städtebaulichen Masterplan für den Tag X gegeben. Wie selbstverständlich wurden innerstädtische Brachen überbaut und marode Altbauten aufwendig saniert. Es gab kaum Widerspruch gegen die Festlegung, das Bild der gewachsenen Innenstadt zu erhalten und Hochhäuser nur als Einzelstücke an wenigen Plätzen zu akzeptieren. Und auch wenn weniger traditionsbewusste Architekten das provinziell nannten – die vom damaligen Stadtbaudirektor Hans Stimmann als Neubauregel verkündete Traufhöhe von 22 Metern blieb das Maß der Dinge in Berlin.

Grundlage dafür war das Einvernehmen von Stadtplanern in West und Ost. Im Westen lief das unter Leitbegriffen wie „Bauen im Bestand“ oder „kritische Rekonstruktion“. Architekten und Stadtplaner hatten sich mit Schaudern von der Abriss- und Neubauideologie der 60er Jahre abgewandt. In der Internationalen Berliner Bauausstellung 1987 fand dieser Paradigmenwechsel seinen praktischen Ausdruck und seine theoretische Ausformung. Die Stadt sollte endlich wieder Lebensraum werden und nicht mehr nur Spielwiese für Bauunternehmer und Straßenbauer. Vielleicht mussten die Deutschen auch durch ihre Reisen nach Rom, Paris, London, Wien und Madrid erst wieder die Kraft der großen alten Städte spüren und den Schmerz über die zweite Zerstörung ihrer Heimat Berlin als Schmerz empfinden – nach den englischen und amerikanischen Bombern hatten deutsche Abrissbirnen das Werk der Vernichtung nahezu komplett gemacht.

Ohne dass es den Planern im Westen so bewusst war, hatte die Einbeziehung der Geschichte und die Liebe zum kleinmaßstäblichen, hatte das Erhalten vor dem Sprengen lange auch im Ostteil der Stadt Oberhand gewonnen. Das begann in den 70er Jahren, als im SED-Staat das Niederreißen historischer Bauten obsolet und die Besinnung auf die preußische Geschichte Teil der sozialistischen Staatsräson geworden war. Die Wiedergeburt des Gendarmenmarktes und des Nikolaiviertels sind zwei Beispiel dafür. Häme über manchen Behelf dabei ist fehl am Platze. Eher muss man bewundern, was aus dem Mangel geschaffen wurde.

Wenn wir uns heute darüber freuen können, dass die Anregungen der IBA 1987 bei der Wiedererweckung des vereinten Berlins so hilfreich waren, ist doch unübersehbar, dass wir jetzt nahe daran sind, jene Fehler großer Agglomerationen zu machen, vor denen uns das Eingemauertsein im Westen wie im Osten bewahrte. Die Stadt zerfließt an ihren Rändern. Hässliche Gewerbegebiete entstehen, niemand möchte in solchen Straßen wohnen. Aber an ihnen und den Stadtbahnlinien entlang vollzog und vollzieht sich die Entwicklung. Hier und nicht nur im Zentrum entscheidet sich, ob Berlin eine lebenswerte Stadt bleibt. Noch kann man durch kluge Vorgaben den Werdegang an diesen Entwicklungsachsen steuern. Dass es um begehrte Lagen geht, zeigen die Immobilienpreise. Die Städteplaner und Architekten Harald Bodenschatz und Hildebrand Machleidt haben angeregt, die renommiertesten Fachleute einzuladen, auf diese Stadt zu schauen, um mit ihren Ideen der städtebaulichen Entwicklung ein menschliches Gesicht zu geben. Das ist eine Herausforderung. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sollten sich mit ihr befassen – und sie annehmen.

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