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Bauernproteste: Abwracken ohne Ende

Die Koalition muss den Bauern helfen – denn sie kann nicht mehr Nein sagen.

Der Gaststättenverband fordert einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für das Gastgewerbe. Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen fordert eine Rücknahme der Erhöhung bei der LkwMaut. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller fordert, dass zehn Prozent der Forschungskosten von der Steuerschuld abgezogen werden können. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner fordert angesichts der Wirtschaftskrise ein Hilfsprogramm für die Landwirtschaft.

Das sind nur ein paar Meldungen der vergangenen Tage. Am Montag haben sich fürs Erste die Bauern mit einem Teil ihrer Wünsche durchgesetzt: Agrardiesel wird nach dem Willen der Bundesregierung in den kommenden zwei Jahren billiger. Eine politische Entscheidung war dies allerdings nicht. Union und SPD blieb schlechterdings keine andere Wahl. Nachdem sich die große Koalition kopflos in das Abenteuer der Abwrackprämie gestürzt hat, fehlt ihr inzwischen jedes Argument, um im freien Spiel der Interessengruppen gegenzusteuern.

Gerade vom Bündnis der beiden Volksparteien hatte man mehr Resistenz gegenüber Partikularinteressen erwarten dürfen. Eine deutliche Mehrheit im Parlament, die unpopuläre Entscheidungen auch gegen Widerstände durchzusetzen vermag – diese Hoffnung gab es. Nicht wenige Deutsche hatten mit der Koalition den Anspruch verbunden, dort könne eine Art Politik des Gemeinwohls betrieben werden. Die Sehnsucht danach ist nicht ganz verblasst. Viele Wähler sehen in dem oft erratisch handelnden Zweckbündnis auch nach vier Jahren noch eine Wunschkonstellation, das belegen Umfragen.

Daran scheint auch die Tatsache nichts zu ändern, dass es unter der Regierung Merkel zum teuersten Wahlkampfjahr der deutschen Geschichte kommen wird. Die 525 Millionen Euro, die jetzt indirekt an die Bauern gehen, sind so gesehen nicht mehr als ein beiläufiger Nachtragsposten.

Dabei mag das ein oder andere Stützungsprojekt konjunkturpolitisch durchaus geschäftsfördernd sein – wenn die Koalition nur nicht so tun würde, als könne sie quasi auf dem Verordnungsweg bestimmen, was Gemeinwohl ist. Aus der Addition von Partikularinteressen allein aber ergibt sich noch kein Gewinn für die Allgemeinheit. Das ist nur dann der Fall, wenn der Nutzen für manche Bevölkerungsgruppen (in diesem Fall die Landwirte) größer ist als der Nachteil für andere Bevölkerungsgruppen (in diesem Fall die Steuerzahler).

Um das Interesse der Gemeinschaft zu wahren, müsste mindestens klar sein, welche Spielregeln gelten. Bisher fehlt es an Geschäftsgrundlagen. Zum Beispiel hätten Hilfen für die Milchbauern mit der Forderung verknüpft werden können, die Milchquote schon vor dem Jahr 2015 abzuschmelzen. Ähnliches gilt für die Autoindustrie. Auch dort wären Gegengeschäfte politisch zulässig gewesen, etwa bei der Frage, wie sehr die Hersteller manche Klimaziele mitzutragen haben. Bei den staatstragenden Steuerzahlern wäre dann zumindest ein nicht ganz unbedeutender Eindruck hängen geblieben: Wer zahlt, bestimmt.

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