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Meinung: Bedeutet mehr Geld für Bildung auch mehr Qualität?

Ein Zwischenruf zu den Schulen vom 5. Januar Frau Weidenfeld hätte ebenfalls einen Zwischenruf, besser aber noch einen Ordnungsruf verdient, nämlich: „Bitte sachlich bleiben!

Ein Zwischenruf zu den Schulen vom 5. Januar

Frau Weidenfeld hätte ebenfalls einen Zwischenruf, besser aber noch einen Ordnungsruf verdient, nämlich: „Bitte sachlich bleiben!“ Nehmen wir die Quintessenz ihrer Ausführungen: „,Mehr Geld‘ ist die falsche Forderung. ,Mehr und vernünftigeres Engagement‘ ist die richtige.“ Dazu ist Folgendes festzustellen: Bestimmte Reformen benötigen nun einmal zusätzliche finanzielle Mittel. Ein gutes Beispiel dazu ist die beabsichtigte Inklusion – oder kennt die Autorin einenWeg, um Schulen behindertengerecht und gleichzeitig kostenneutral herzurichten?

Die Forderung nach mehr Engagement seitens der Lehrer bedeutet, dass – mit wenigen

Ausnahmen – eine ganze Berufsgruppe unter

Generalverdacht gestellt wird; sie wird in der Tat beschuldigt, den Anforderungen ihres Berufsbildes nicht zu genügen. Dass sie gleichzeitig zu unentgeltlicher Mehrarbeit aufgefordert wird, wagt man schon gar nicht mehr zu erwähnen. Damit kein Missverständnis entsteht: Ein Lehrer, der nie Engagement zeigt, hat wirklich seinen Beruf verfehlt, aber es gibt auch physische und

psychische Grenzen. Deshalb bleibt mein

Vorwurf an die Autorin bestehen: „Bitte sachlich

bleiben!“

Harry Pfahl,

Berlin-Charlottenburg

Eine erfolgreiche Bildungspolitik für möglichst alle ist schwer. Eine Vielzahl von Faktoren muss zusammenkommen, um bei unserem Bemühen um einen möglichst großen Lernerfolg und eine gute Bildung für unsere Kinder erfolgreich zu sein.

Auf den Lehrer kommt es an. Dazu gehört bei Lehrerinnen und Lehrern neben einem guten Fachwissen gleichwertig wichtig auch die Fähigkeit, dieses Fachwissen methodisch-didaktisch adäquat aufzubereiten sowie die Beachtung lerntheoretischer Erkenntnisse – wiederholen – vernetzen – festigen. Eine Lehrkraft muss Vorbild sein – fachlich und persönlich, sie muss die Fähigkeit besitzen, junge Menschen zu begeistern und zu motivieren, sie bei ihren Stärken zu packen und so schrittweise Schwächen abzubauen. Ein hoher Anspruch – ja. Aber ein wunderbarer Beruf trotz aller Härten.

Wichtiger noch als äußere räumliche Rahmenbedingungen ist auch die Organisation des Schulalltags, das Zusammenwirken von Lehrkräften und Erziehern/innen, die Teambildung und die Bereitschaft einer Schule, sich gemeinsam als lernende Organisationseinheit zu verstehen; hier zählt die Schulleitung, aber auch die Haltung jeder Lehrkraft, jedes Erziehers oder Sozialarbeiters.

All dies reicht nicht hin für den Erfolg, denn auch auf die Eltern (und die Kinder) kommt es an. Die jungen Menschen müssen auch lernen wollen. Nur zur Sklaverei und nicht zur Freiheit kann man gezwungen werden. Eltern müssen zum Lernen motivieren und den Kindern vermitteln, dass Erfolg cool ist und dass sich ohne Anstrengung kein Lernerfolg einstellt, Eltern müssen mit den Lehrkräften und Erziehern an einem Strang ziehen und sich einbringen. Sonst wird – auch wenn alles andere stimmt – der Erfolg nicht so groß sein, wie man ihn sich gewünscht hat.

Studien haben hinreichend belegt, dass gerade das, was Geld kostet, nämlich mehr Personal – in Anbetracht der Schüler-Lehrer-Relation, die wir in Deutschland haben – keinen relevanten Einfluss auf den Lernerfolg hat. Wir wissen: In derselben Schule haben Parallelklassen manchmal einen Unterschied im Wissensstand von bis zu einem Jahr und Schülerinnen und Schüler der gleichen Klasse Unterschiede in verschiedenen Fächern von mehr als einem Jahr. In Berlin gibt es Schulen mit einem gleich hohen Prozentsatz an Kindern mit Migrationshintergrund und an Kindern mit Lehrmittelbefreiung, also mit der gleichen Personalausstattung, die trotzdem extrem unterschiedlich erfolgreich sind. Die eine Schule ist in der Lage, mehr als 80 Prozent der Kinder die deutsche Sprache gut zu vermitteln, und der anderen gelingt dies nur in 10 Prozent der Fälle. Woran liegt das? Sicher nicht am Geld, denn die Schulen haben eine gleiche Ausstattung und zudem eine viel bessere als Schulen ohne diese große Anzahl sogenannter bildungsferner Schülerinnen und Schüler. Der Ruf nach mehr Geld trägt hier nicht weit.

Dies gilt grundsätzlich auch für das von Herrn Pfahl angeführte Beispiel der Inklusion. Sicher sind Baumaßnahmen für Barrierefreiheit nötig. Diese sind aber geringer als Personalkosten.

Gerade die stärksten Befürworter einer vollständigen inklusiven Erziehung betonen übrigens, dass ein solches System nicht teurer werde als das

heutige System mit Förderschulen. Ich meine

allerdings, dass man zum Wohle der Kinder

und zur Sicherung des Elternwahlrechts einzelne

Förderzentren beibehalten sollte. Inklusion kostet so wahrscheinlich mehr als jetzt. Der finanzielle Mehrbedarf wird aber sicher überschaubar

bleiben.

Berlin gibt schon jetzt mehr Geld pro Schüler aus als die meisten anderen Bundesländer. Frau Weidenfeld hat also recht. Wenn man dies – und die Liste ließe sich noch ausweiten – kurz auf den Punkt bringen will: Wie könnte man es anders und besser ausdrücken als „mehr und vernünftigeres Engagement“ von allen Betroffenen? Denn gerade Geld ist hier kein entscheidender Faktor.

— Prof. Dr. Jürgen Zöllner war Bildungssenator

in Berlin und ist Vorstand der Stiftung Charité

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