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Meinung: Bedrohlich verhandeln

Nordkorea und Amerika sprechen miteinander, die Kriegsgefahr ist damit aber nicht gebannt

Bislang gehörte es zum taktischen Repertoire der Führung in Nordkorea, sich gegenüber der Außenwelt als unberechenbares Regime zu präsentieren. Das Motto war stets das gleiche: drohen und gleichzeitig verhandeln. Diesmal sind die Vorzeichen andere. Nicht das Regime in Pjöngjang ist Ursache der Ungewissheit, ob bei den dreitägigen Gesprächen über Nordkoreas Atomprogramm eine Einigung herauskommt, sondern die US-Regierung. Das Weiße Haus und das State Departement senden seit Wochen widersprüchliche Signale. Während Außenminister Colin Powell von einer friedlichen Lösung des Nuklearstreits spricht, kursieren Medienberichte über angeblich ausgearbeitete Angriffspläne der US-Militärs. US-Präsident George W. Bush hüllt sich in Schweigen. Pjöngjang müsse sein Atomprogramm dauerhaft und nachweisbar einstellen, lautet die monoton wiederkehrende Formel seiner Sprecher.

Was ist, wenn das Regime dieser Forderung nicht nachkommt? Diese Frage stellt man sich derzeit in Pjöngjang. Nach dem Sieg im Irak-Krieg lässt die Bush-Regierung bewusst offen, wie weit sie im Konflikt mit den Staaten der Achse des Bösen gehen will.

Möglich ist alles. Vielleicht wird sich Washington mit einer Neuauflage des Nuklearabkommens von 1994 zufrieden geben, diesmal allerdings mit deutlich verschärften Kontrollauflagen für das Kim-Regime. Die USA könnten versuchen, China und Russland für einen Regimewechsel in Pjöngjang zu gewinnen. Zwar sehen sich Peking und Moskau traditionell als Nordkoreas Verbündete, aber sie haben kein Interesse daran, dass in ihrer Nachbarschaft eine neue Atommacht entsteht. Bei der ersten Verhandlungsrunde will China vorerst nur als stiller Vermittler auftreten.

Vielleicht planen die Strategen im Pentagon tatsächlich einen begrenzten Militärschlag, etwa gegen das nordkoreanische Atomzentrum Yongbyong; das berichtet eine australische Zeitung. Das Risiko eines solchen Angriffs wäre enorm groß. Mit seinen Raketen entlang der Demarkationslinie kann Pjöngjang innerhalb von Minuten Seoul und andere südkoreanische Städte in Schutt und Asche legen. Völlig ausgeschlossen ist eine solcher Entwicklung nicht. Drohen und Verhandeln, lautet die US-Taktik. Dass Nordkoreas Beton-Kommunisten auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzen, macht die Lage so bedrohlich.

Harald Maass

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