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Meinung: Befreit von der Familie

PUTIN ENTLÄSST REGIERUNG

Ganz überraschend kam der Rauswurf nicht. Der russische Premier Kasjanow galt schon lange als Regierungschef auf Abruf. Viele Russen machten ihn und seine Minister ohnehin für alles verantwortlich, was in der Wirtschafts und Sozialpolitik schief gelaufen war. Diese Unzufriedenheit wurde von Präsident Putin durch Vorwürfe gegen die Regierung noch geschürt. Am Ende war der Bruch unübersehbar: Kasjanow hatte dem Präsidenten offen widersprochen und das Vorgehen gegen den Öl-Milliardär Chodorkowskij kritisiert. Überraschender war schon der Zeitpunkt, den Putin wählte. Bis zur Präsidentenwahl sind es nicht einmal mehr drei Wochen. Das heißt vor allem: Putin hat keinerlei Zweifel mehr an seiner Wiederwahl und stellt jetzt schon die Weichen für die kommende Amtszeit. Mit der Entlassung des Premiers verabschiedet sich Putin auch ein Stück weit von seiner Vergangenheit. Zwar hatte er selbst Kasjanow vor vier Jahren an die Spitze der Regierung geholt. Doch die beiden standen sich nie politisch nahe. Kasjanow werden enge Kontakte zur „Jelzin-Familie“ nachgesagt. Putin befreit sich nun mehr und mehr vom Einfluss des Clans, der ihm einst zur Macht verholfen hat. Schon lange hat er frei werdende Posten mit Geheimdienstlern oder Militärs besetzt. Jetzt kann er sich auch einen Premier nach seinem Geschmack aussuchen. Das Parlament hat dabei wieder einmal nichts zu sagen – und Russland hat sich noch weiter von der Demokratie entfernt. vs

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