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Meinung: Bella figura beim Verwalten

Der neuen Regierung Italiens fehlt der Sinn für das große Ganze – wie dem Rest des Landes

Die Regierung Prodi hat den Weg ins Amt gefunden. Leicht hat ihr der Wähler das nicht gemacht; doch bisher trägt die dünne Mehrheit, mit der er sie ausgestattet hat. Insofern rechtfertigt Italiens Mitte-links-Koalition das Vertrauen, das das Volk in sie gesetzt hat. Und insofern konnte der Start nicht überzeugender ausfallen.

Und jetzt? Auch wenn Romano Prodi in seiner Regierungserklärung vom Wahlkampfslogan abgerückt ist, das Land sei „zutiefst gespalten“, so hat sich an der Tatsache nichts geändert: Das politische Italien existiert derzeit in zwei absolut gleich großen, verfeindeten Blöcken. Im Rest seiner Analyse war Prodi da schon genauer. Das Land steckt tatsächlich in einer ökonomischen, einer gesellschaftlichen und einer ethisch-moralischen Krise. Die ökologische, die hat Prodi nicht einmal erwähnt; vor dieser verschließt Italien kollektiv die Augen. Vor allem aber, und das macht sich zunehmend als Sand im Getriebe bemerkbar, existiert kein Sinn für den Staat, für das große Ganze. Italien setzt sich aus Individualismen, Egoismen, Provinzialismen zusammen. Der Sinn für Regeln, Normen, das Denken in Kategorien des Gemeinwohls endet allzu oft dort, wo die eigene Familie aufhört, und die wird immer kleiner. Jenseits dieser Grenze, wie im Getümmel des Straßenverkehrs, ist alles erlaubt, was einen persönlich voranbringt, ohne Rücksicht auf die anderen.

Gerade in der Regierungszeit Silvio Berlusconis haben die Italiener den Staat als Selbstbedienungsladen erfahren; ein Regierungschef, der Steuerhinterziehung als moralisch legitim bezeichnet und den Staat als gesetzlich organisierte Räuberei hinstellt, unterminiert auch noch die letzten Reste eines gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstseins.

Der aktuelle Fußballskandal setzt das ohnehin geringe Vertrauen der Italiener in irgendwelche größeren Gemeinwesen weiter herab. Wie Berlusconi auf seine Art, so ist auch die neue Koalition eine Verkörperung solchen Denkens. Bei der Regierungsbildung hat sich gezeigt, dass alle Parteien – und seien sie noch so winzig – groß herauskommen wollten: individualistisch und egoistisch. Es gab nicht den Zusammenschluss zu einem gemeinsamen Wendeprojekt, nicht die Unterordnung eigener Befindlichkeiten unter einen großen, nationalen Sanierungsgedanken.

Eine übergreifende, packende Idee hat auch Prodi offenbar nicht mehr. Im Wahlkampf versprach er wenigstens noch, den Italienern „Heiterkeit zurückzugeben“. Selbst dieses Leitmotiv, mag man es für noch so banal halten, hat er aufgegeben. Als „den schönsten Teil der Politik“ bezeichnet Prodi inzwischen „die tägliche Verwaltung, das Lösen von Problemen“. Schon wahr: mit dem Alltagskram wird er mehr als genug zu tun haben. Und vielleicht schafft er es ja, darin nicht unterzugehen.

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