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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Berg ohne Gipfelkreuz: Vom Glauben abgefallen

Auf dem Foto einer Werbebroschüre für arabische Touristen sieht es so aus, als sei das Gipfelkreuz auf der Zugspitze wegretuschiert worden. „Verleugnung“, schreien bayerische Katholiken. Unser Kolumnist Helmut Schümann aber mahnt zu Besonnenheit.

Es sei an den Gottesmann Christoph Ott erinnert. Der war Pfarrer und im Hobby Meteorologe und als solcher sah er in der Ferne die Zugspitze und zeigte sich gram darüber, dass „der erste Fürst der bayerischen Gebirgswelt sein Haupt kahl und schmucklos in die blauen Lüfte des Himmels emporhebt, wartend, bis patriotisches Hochgefühl und muthvolle Entschlossenheit es über sich nehmen würden, auch sein Haupt würdevoll zu schmücken“. Also schmückte der muthvolle Ott und ließ im August 1852 ein Kreuz auf den Berg schleppen, seitdem hat auch Deutschlands höchste Erhebung, mit einigen restaurationsbedingten Unterbrechungen, ein Gipfelkreuz. Ein bayerischer Berg ohne Gipfelkreuz ist praktisch kein Berg. Groß muss es sein, erhaben, wetterbeständig, gesegnet, und katholisch sollte es möglichst auch sein. Soweit hat alles seine Ordnung mit dem Kreuz auf dem Gipfel hoch über Garmisch-Partenkirchen. Es spielen sich allerdings heute Dinge ums Kreuz ab, schreckliche blasphemische Dinge, die die Werte des Abendlandes mit Füßen treten und es an den Rand des Abgrundes bringen. Nicht das Kreuz, das Abendland.

Auf einem Foto einer Werbebroschüre der Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG fehlt das Kreuz, ist einfach nicht da, obwohl doch groß, erhaben, katholisch. Die Broschüre ist für die arabische Welt bestimmt.

Oha. Schnappatmung beim päpstlichen Sender Radio Vatikan, der verkündete, das Gipfelkreuz sei aus religiöser Rücksichtnahme wegretuschiert worden. Der Bayerische Rundfunk, kaum minder päpstlich, sarrazinierte mit und schlug resignierend vor, man möge doch gleich einen Halbmond auf den Gipfel schrauben. Und den Mesner Martin Klöck aus Garmisch befällt Wut und Empörung: „Eine Frechheit, unser Gipfelkreuz und unseren Glauben zwecks des Geldes von Touristen zu verleugnen.“

Ach, denkt der Mittfünfziger, es ist ein Kreuz mit den Katholen, den Eiferern, immer etwas vorschnell, immer etwas an der Wahrheit vorbei. Die Werber hatten, durchaus bewusst, lediglich ein anderes Bildmotiv des Bergpanoramas gewählt, eins, auf dem kein Kreuz zu sehen ist. Mit einer sehr pragmatischen Begründung: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ Und wenn der Fisch, die muslimische Welt, dann auf der Zugspitze angekommen ist? Spätestens dann wird sie, die muslimische Welt, angesichts des nicht erwarteten Kreuzes mindestens vom Glauben abfallen, wenn nicht gleich vom Berg.

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