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Berlin: Es wird Zeit

Die SPD will Berlin verändern. Offenbar erkennt auch Wowereit den Ernst der Lage

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Patient lebt, rappelt sich auf und müht sich um Besserung. Vielleicht lässt sich so der Zustand der Berliner SPD am besten beschreiben. Aber noch befindet sich der hauptstädtische Landesverband im Ausnahmezustand. Der Schock der Wahlergebnisse 2009 sitzt noch tief, die Angst vor dem Niedergang ist nicht gebannt, aber die Schockstarre lässt nach. So ist auch das Thesenpapier zu deuten, dass der Regierende Bürgermeister und SPD-Vize Klaus Wowereit in trauter Gemeinsamkeit mit dem SPD-Landeschef Michael Müller zusammengebastelt hat.

Es kommt nicht oft vor, dass sich Berlins Regierungschef, dieser manchmal verwegen charmante, manchmal erbarmungslos knochenharte Pragmatiker ernsthaft bemüht, Gedankengebäude für die Zukunft zu entwerfen. Offenbar wird der Ernst der Lage jetzt auch von Wowereit erkannt. Und die SPD-Abgeordnetenhausfraktion hat in stundenlangen Diskussionen auf ihrer Klausur in Eisenach zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre kollektive Ratlosigkeit in eine neue Aufbruchstimmung ummünzen will.

Zeit wird’s. Das gilt auch für die Thesen der beiden sozialdemokratischen Großkopfeten. Sie entdecken den Wert einer modernen, grünen Industrie für Berlin. Sie verstehen Integration als Kernanliegen einer Millionenstadt, die sozial nicht auseinanderfallen soll, als Stadtentwicklung im weitesten Sinne. Wowereit und Müller wollen die solidarische Stadt, also das ehrenamtliche bürgerschaftliche Engagement als Ergänzung eines starken Staates, der die öffentliche Daseinsvorsorge hochhält. Ein verflixt ehrgeiziges Programm, aber eine brauchbare Grundlage für den öffentlichen Diskurs um die Zukunft Berlins. Und ein Signal, das die Berliner SPD erleichtert zur Kenntnis nimmt: Ihr Wowi ist wieder da. Es sieht so aus, als peile er tatsächlich eine dritte Regierungsperiode in Berlin an. Sich an dieser Vorstellung zu reiben, wohlwollend, konsterniert oder aggressiv, kann der Stadt nur guttun.

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